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BGH, Urteil vom 17.12.2006 – XII ZR 183/13 – “Unklare Umlagevereinbarung betreffend Grundsteuererhöhungen


Der Bundesgerichtshof hatte mit Urteil vom 17.12.2016 – XII ZR 183/13 – einen in Heilbronn spielenden Fall zu entscheiden, bei dem es um die Auslegung einer Formularklausel zur Umlage der Grundsteuer ging. Mietsache waren in der Heilbronner Innenstadt in einem Geschäftshaus mit insgesamt vier Mietern belegene Räume. Durch Mietvertrag vom März 2007 vermietete der Vermieter dem Mieter ein Ladenlokal in dem damals noch zu errichtenden Geschäftshaus. Im Zusammenhang mit den Nebenkosten enthält der Mietvertrag folgende von der Vermieterin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung:

Die Grundsteuer zahlt der Vermieter. Erhöhungen gegenüber der bei Übergabe des Objekts erhobenen Grundsteuer trägt der Mieter (…).

Die Übergabe der Mietsache erfolgte am 01.12.2008. Das Geschäftshaus ist am 05.03.2009 eröffnet worden. Für das Jahr 2009 wurde die Grundsteuer durch Bescheid der Stadt Heilbronn vom 09.01.2009 ausgehend von einem Grundsteuermessbetrag für ein unbebautes Grundstück auf EUR 16.029,24 festgesetzt. Mit Bescheid vom 11.01.2010 wurde die Grundsteuer – nunmehr aufgrund eines Grundsteuermessbetrags für ein Geschäftsgrundstück – auf EUR 66.998,14 festgesetzt. Der Vermieter verlangt mit seiner Klage die Zahlung der nach seiner Auffassung auf den Beklagten entfallenden Anteile der Grundsteuerdifferenz für die Jahre 2010 und 2011, die sich auf insgesamt EUR 45.310,63 belaufen. Die 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Heilbronn hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Vermieters hat das Oberlandesgericht Stuttgart der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Vertragsklausel im Gegensatz zum Landgericht Heilbronn dahin ausgelegt, dass sämtliche Erhöhungen der Grundsteuer, also auch die Erhöhung wegen des nach Bebauung geänderten Einheitswerts und Grundsteuermessbetrags, zur Umlage des Differenzbetrags auf die Mieter berechtigen. Der Wortlaut sei eindeutig. Das gelte auch für den Vergleichsmaßstab der „bei Übergabe des Objektes erhobenen Grundsteuer“. Da die Anpassung in der Regel zeitlich verzögert nach Bebauung und Vermietung des Grundstücks erfolge, ergebe sich daraus eine Grundsteuererhöhung gegenüber der bei Übergabe des Objekts noch auf der Grundlage eines unbebauten Grundstücks erhobenen Grundsteuer. Es treffe nicht zu, dass durch einen Bezug der Klausel auf das Objekt nur das bebaute Grundstück gemeint sein könne. Die Klausel sei so auszulegen, wie sie typischerweise von an solchen Geschäften beteiligten Kreisen verstanden werde. Danach erfasse sie auch Grundsteuererhöhungen, die sich aus einer Neubebauung ergeben. Der Grundsteuerbescheid ergehe in der Regel erst nach Übergabe des Mietobjekts. Wer, wie die Beklagte, deutschlandweit Warenhäuser betreibe, sei mit den Grundlagen des Steuerrechts und damit auch mit der unterschiedlichen Besteuerung bebauter und unbebauter Grundstücke vertraut. Aus der vertraglichen Nebenkostenregelung werde deutlich, dass der Vermieter seine Nebenkosten weitgehend auf die Mieter überwälzen wolle. Soweit die Grundsteuererhöhung auf geänderten Hebesätzen beruhe, sei sie im Vergleich zur Miete geringfügig. Es ergebe sich auch kein Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Mehrdeutig im Sinne von § 305 c BGB sei die Klausel ebenfalls nicht.

Der Bundesgerichtshof teilt die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart nicht. Er entscheidet wie das Landgericht und weist die Klage ab. Zunächst weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass bei Formularklauseln, also Allgemeinen Geschäftsbedingungen, der Grundsatz der objektiven Auslegung gilt (BGH NJW 2008, 2497, Rn. 11). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dementsprechend nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrundezulegen sind (BGH NJW 2010, 293, Rn. 11). Nach diesen Maßstäben führt die Auslegung der Klausel dazu, dass für den Fall der Neufestsetzung der Grundsteuer aufgrund der Bebauung und Vermietbarkeit des Grundstücks unklar bleibt, ob die sich daraus ergebenden Differenzbeträge auf die Mieter umlegbar sind. Einerseits spricht das Abstellen der Klausel auf Erhöhungen der bei Übergabe des Objekts erhobenen Grundsteuer dafür, dass maßgebliche Vergleichsgröße die bei Übergabe des Mietobjekts festgesetzte Grundsteuer ist. Dass die Klausel auf die „erhobene“ Grundsteuer verweist, deutet darauf hin, dass es auf die behördliche Steuerfestsetzung ankommt, wie sie im konkreten Fall zum Zeitpunkt der Übergabe erfolgt ist. Die Steuerfestsetzung beruht im vorliegenden Fall bei Übergabe der Mietsache noch auf dem unbebauten Grundstück und dem sich daraus ergebenden Steuermessbetrag. Andererseits wäre eine solche Betrachtung jedoch unvollständig. Sie wird vielmehr durch den Umstand infrage gestellt, dass in der Klausel von dem Objekt die Rede ist. Damit enthält schon der Wortlaut der Klausel einen Hinweis darauf, dass anstelle der tatsächlich festgesetzten Grundsteuer auch eine Erhöhung der von vornherein auf das Mietobjekt bezogenen Grundsteuer gemeint sein kann. Denn bei dem Objekt handelt es sich um das Mietobjekt, wie es sich aus der vertraglichen Vereinbarung ergibt. Dieses besteht aber nicht aus dem unbebauten Grundstück, auf welches sich der bei Übergabe geltende Steuermessbetrag (§ 13 Abs. 1 GrStG) bezieht, sondern aus den vertraglich als Mietgegenstand vereinbarten Räumen. Das lässt es wiederum als zumindest nicht fernliegend erscheinen, dass mit der erhobenen Grundsteuer diejenige gemeint ist, die für das bebaute Grundstück festzusetzen ist, und mithin die später so festgesetzte Steuer die Vergleichsgröße für auf die Mieter umzulegende Erhöhungen darstellt (ebenso für eine ähnliche Klausel OLG Celle, ZMR 1990, 410, 411). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Grundsteuerbescheid mit dem erhöhten Steuermessbetrag in der Regel erst nach Übergabe des Mietobjekts ergeht. Daraus folgt noch nicht ohne weiteres, dass der Mieter sich auch mit der Tragung des Differenzbetrags einverstanden erklären wollte (vgl. OLG Celle, ZMR 1990, 410, 411 und OLG Hamm, ZMR 1986, 198, 189). Dieses Ergebnis wird dadurch gestützt, dass durch die Klausel der Umfang der Grundsteuerumlage im Zweifel einheitlich festgelegt und nicht erst von den bei Vertragsschluss noch ungewissen Zeitpunkten der Übergabe und der steuerlichen Wertfortschreibung (§ 22 BewG) abhängig gemacht werden sollte. Da die für die erhöhte Festsetzung des Einheitswerts und die daran gekoppelte Neufestsetzung der Grundsteuer maßgebliche Vermietbarkeit des bebauten Grundstücks bereits einige Zeit vor Übergabe des Objekts verwirklicht sein kann, hinge es vom zeitlichen Ablauf und von dem Vorgehen der Steuerbehörden ab, ob die Neufestsetzung noch vor Übergabe des Mietobjekts stattfindet oder nicht. Wäre etwa der Einheitswert nach Fertigstellung des Geschäftshauses und Eintritt der Vermietbarkeit bereits 2008 mit Wirkung ab dem Jahresbeginn 2009 (§§ 22 Abs. 4 S. 1, 3 Nr. 1, 76 Abs. 1 Nr. 2, 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BewG) fortgeschrieben worden und in die Steuerfestsetzung für 2009 eingeflossen (vgl. §§ 17, 18 GrStG, § 20 Abs. 2 BewG sowie FG Nürnberg, DStRE 2011, 1383) und wäre die Übergabe des Mietobjekts erst nach dieser Steuerfestsetzung erfolgt, so hätte auch nach Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart der Vermieter die höhere Grundsteuer zu tragen. Die Auslegung des Berufungsgerichts würde mithin zu dem Ergebnis führen, dass wesentliche Aspekte der Grundsteuertragung bzw. -umlage bei Vertragsschluss noch nicht vorhanden, sondern variabel wären und davon abhängen, wann das Mietobjekt fertig gestellt und vermietbar ist, wann die Grundsteuer nach dem höheren Einheitswert festgesetzt wird und wann die Übergabe des Objekts erfolgt. Das gilt erst recht im Hinblick auf eine möglicherweise rückwirkende Erhöhung der Grundsteuer (vgl. OLG Frankfurt, NZM 2000, 243, 244).

Nach alledem war die vertragliche Formularklausel nicht eindeutig. Zweifel gehen aber nach § 305 c Abs. 2 BGB zulasten des Vermieters als Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ob auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 307 BGB vorliegt, brauchte daher vom Bundesgerichtshof nicht entschieden zu werden. Maßgeblich war allein, dass es zur Umlegung der geltend gemachten Grundsteuerbeträge an einer vertraglichen Vereinbarung fehlte, so dass die Klage des Vermieters abzuweisen war.