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Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 31.01.2018 – 30 U 101/17 – “Treuwidriges Berufen auf einen Schriftformmangel


In vielen Newslettern haben wir den „Dauerbrenner“ des Gewerberaummietrechts behandelt, nämlich die ordentliche Kündbarkeit eines für eine längere Zeit als ein Jahr abgeschlossenen Mietvertrags, wenn dieser unter einem Schriftformmangel leidet. Da die Anforderungen an die Einhaltung der Schriftform außerordentlich streng sind, unterlaufen insbesondere bei Mietvertragsnachträgen, aber auch bei Abschluss des Ursprungsmietvertrags häufig Schriftformfehler, die es einer Vertragspartei ermöglichen, sich aus einem unliebsam gewordenen Mietvertrag zu verabschieden. Es gibt deshalb nach Mietobjekten suchende Unternehmen, die ganze Abteilungen mit Juristen beschäftigen, die nichts anderes tun als nach Schriftformmängel in langfristigen Mietverträgen zu suchen (und hierbei nicht selten fündig werden).

Der von der Kündigung betroffene Vertragspartner wendet fast immer ein, die auf einen Schriftformmangel gestützte Kündigung sei treuwidrig. Es gibt nur außerordentlich seltene Fälle, in denen dieser Einwand Erfolg hat. Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Urteil vom 31.01.2018 (30 U 101/17) kurz und prägnant zusammengefasst, welche Voraussetzungen der Einwand der Treuwidrigkeit hat. Diese sind so hoch, dass eine auf einen Schriftformmangel gestützte ordentliche Kündigung nur in den seltensten Fällen treuwidrig ist.

Bei dem zu beurteilenden Vertrag handelt es sich um einen Jagdpachtvertrag, der nach § 11 Abs. 4 S. 1 BJagdG der Schriftform bedarf. § 11 Abs. 6 S. 1 BJagdG ordnet an, dass Schriftformmängel zur Nichtigkeit führen. Der vom Oberlandesgericht Hamm zu beurteilende Pachtvertrag wahrte deshalb nicht die Schriftform, weil das Gebiet, für das das Jagdausübungsrecht übertragen wurde, nicht eindeutig bezeichnet war. Erfolglos war der Einwand, das Berufen auf den Schriftformverstoß stelle sich als treuwidrig dar. Das Oberlandesgericht Hamm legt dar, dass der Formmangel eines Rechtsgeschäfts nur ausnahmsweise wegen unzulässiger Rechtsausübung unbeachtlich ist, weil sonst die Formvorschriften ausgehöhlt würden. Nach gefestigter Rechtsprechung ist ein an sich nichtiger Vertrag (Entsprechendes gilt für einen wegen eines Formmangels kündbaren Vertrag) nur in besonderen Ausnahmefällen als wirksam zu behandeln, wenn die Nichtigkeitsfolge mit Treu und Glauben unvereinbar wäre. Dies ist insbesondere in zwei Fallgruppen anerkannt: In den Fällen einer Existenzgefährdung des einen Teils und den Fällen einer besonders schweren Treuepflichtverletzung des anderen Teils. Dabei darf eine auf der Verletzung gesetzlicher Formvorschriften beruhende Nichtigkeit eines Vertrages im Interesse der Rechtssicherheit in aller Regel nicht aufgrund von Billigkeitserwägungen außer Acht gelassen werden. Eine Ausnahme kann nur in ganz besonders gelagerten Fällen gemacht werden, in denen nach den gesamten Umständen die Nichtigkeitsfolge mit Treu und Glauben unvereinbar wäre. An die Bejahung eines Ausnahmefalls sind strenge Anforderungen zu stellen; dass die Nichtigkeit den einen Vertragsteil hart trifft, reicht nicht aus (BGH NJW 1996, 2503 unter 3 m.w.N).

Eine Existenzgefährdung wird in den seltensten Fällen ersichtlich sein. Ein besonders schwerer Treueverstoß wurde von der Rechtsprechung insbesondere dann angenommen, wenn eine Vertragspartei die andere schuldhaft vom Abschluss eines formwirksamen Vertrages abgehalten hat (BGH, Urteil vom 30.04.2014 – XII ZR 146/12, GE 2014, 865). In der Regel erkennen beide Vertragsparteien aber den Schriftformfehler nicht. Schon daran scheitert eine Treuepflichtverletzung.

Die Grundsätze, wann das Berufen auf einen Formmangel treuwidrig ist, gelten auch dann, wenn ein langfristiger Mietvertrag wegen eines Schriftformmangels nach § 550 BGB ordentlich gekündigt wird. Derjenige, der mit Treuwidrigkeit argumentiert, wird also fast immer Schiffbruch erleiden.