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OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.11.2022 – 11 W 104/20 – “Testamentskopie als Nachweis für die wirksame Errichtung eines Testaments?“


Immer wieder kommt es vor, dass nach dem Tod eines Erblassers das Original des von ihm errichteten Testaments nicht mehr auffindbar ist und dem Nachlassgericht nur eine Kopie zur Verfügung gestellt werden kann. In solchen Fällen stellt sich regelmäßig die Frage, ob ein wirksames Testament errichtet wurde bzw. ob der Erblassers es z.B. durch Vernichtung widerrufen hat und aus diesem Grund nur noch eine Kopie vorhanden ist. Mit einem solchen Fall hatte sich auch das OLG Karlsruhe im Beschluss vom 13.11.2022 (11 W 104/20) zu befassen.

In dem zur Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Erblasser in zweiter Ehe verheiratet. Er hatte einen Sohn aus erster Ehe und eine Tochter aus zweiter Ehe. Letztwillige Verfügungen im Original konnten nicht aufgefunden werden, vielmehr gab es nur die Kopie eines handschriftlichen Testaments aus dem Jahr 2010, die der Sohn aus erster Ehe gemeinsam mit weiteren Unterlagen in einer Plastiktüte in der Werkstatt des Elternhauses gefunden hat. Auf Basis dieses Testaments hat der Sohn aus erster Ehe einen Erbschein beantragt, wonach er und die Tochter Miterben zu ½ sind. Demgegenüber vertreten die weiteren Beteiligten (die zweite Ehefrau und die Tochter aus zweiter Ehe) die Auffassung, dass ein wirksames Testament nicht vorliegt und dementsprechend die gesetzliche Erbfolge eintritt. Das in I. Instanz zuständige Nachlassgericht hat dem Antrag des Sohns stattgegeben, auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten wurde diese Entscheidung aber durch das OLG Karlsruhe wieder aufgehoben. Denn der dort zuständige Senat war nicht davon überzeugt, dass es ein mit Testierwillen errichtetes Testament des Erblassers gibt.

Grundsätzlich ist der Nachweis eines formwirksam errichteten Testaments durch Vorlage des Originals erforderlich. Wenn auf andere Weise nachgewiesen werden kann, dass das Testament den formellen Anforderungen genügt, also z.B. vom Erblasser selbst geschrieben und unterschrieben wurde kann dies aber auch ohne das Original gelingen, z.B. wenn Zeugen bestätigen, dass sie dabei waren, als der Erblasser das Testament geschrieben hat. Neben der wirksamen Errichtung ist aber Voraussetzung für ein wirksames Testament auch, dass es mit Testierwillen erstellt wurde. Ein Testament ist nämlich nur dann wirksam, wenn der Erblasser bei seiner Errichtung einen ernstlichen Willen hatte für sein Ableben rechtsverbindlich Anordnungen zu treffen. Da das Original vorliegend nicht auffindbar ist und der Erblasser die Kopie nicht sorgsam verwahrt hat, sondern diese sich ungeordnet in einer Schublade befand, fehlt es nach Auffassung des OLG Karlsruhe an einem klaren Indiz für die Errichtung mit Testierwillen. Es erscheine vielmehr ebenso möglich, dass der Erblasser das Schriftstück lediglich als Entwurf erstellte, zumal er sich zum Zeitpunkt der Errichtung noch im Entscheidungsfindungsprozess befunden haben dürfte, da er sich zu dieser Zeit ratsuchend an mehrere Personen gewandt hatte und von Zeugen als sehr unentschlossene Person beschrieben wurde, der in einem längeren Prozess mit sich darum gerungen habe, wie er seinen Nachlass am besten verteilt. Das streitgegenständliche Dokument wurde nach den Feststellungen kurz vor der fachlichen Beratung durch einen Notar und eine Rechtsanwältin errichtet, sodass es aus Sicht des Senats beim OLG Karlsruhe nahelag, dass der Erblasser anhand des Schriftstücks den endgültigen Text des Testaments erst erarbeiten wollte.

Ob die Entscheidung des OLG zutrifft, der Erblasser also tatsächlich nicht mit Testierwillen handelte als er das Testament errichtete, lässt sich nicht verbindlich klären, weil dieser selbst nicht mehr befragt werden kann. Die Entscheidung hätte aber durchaus auch anders ausgehen können, denn immerhin war das Testament unterschrieben, was bei einem Entwurf untypisch ist. Unabhängig davon hätten die Streitigkeiten vermieden werden können, indem zum Beispiel ein notarielles Testament errichtet oder das Testament beim Nachlassgericht zur Verwahrung abgegeben worden wäre. Will der Erblasser sich an einem einmal geäußerten Willen nicht mehr festhalten lassen, empfiehlt es sich im Übrigen nicht das Testament einfach zu vernichten sondern dieses durch eine eindeutige Erklärung zu widerrufen oder gegebenenfalls den Text durchzustreichen und dies durch eine Unterschrift zu bestätigen, dann kann späterer Streit über die Frage, ob der Erblasser das Testament durch Vernichtung widerrufen hat und deshalb das Original nicht mehr auffindbar ist oder dies auf anderen Gründen beruht, vermieden werden.