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OLG Stuttgart vom 29.10.2020 – 15 UF 194/20 – “Teilungsversteigerung des Familienheims (auch) vor rechtskräftiger Scheidung“


Verfügen Ehegatten für eigene Wohnzwecke über Immobilieneigentum besteht regelmäßig nach Grundbuchlage Miteigentum. Kann nach der dauerhaften Trennung keine Einigung hinsichtlich des Miteigentums an der Immobilie gefunden werden, verbleibt zur Auflösung letztlich nur ein Antrag auf Teilungsversteigerung (Zwangsvollstreckung zur Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft). Durch das OLG Hamburg (FamRZ 2017, 1829) war insoweit ein genereller Ausschluss des Antrags auf Teilungsversteigerung vor Rechtskraft der Ehescheidung angenommen worden, mit der Begründung vorrangig seien Regelungen aufgrund der gemeinsamen Nutzung zu Wohnzwecken, als Ehewohnung, und insoweit speziell zur Nutzung bestehender gesetzlicher Regelungen (§ 1361b BGB).

Über einen entsprechenden Sachverhalt hatte das OLG Stuttgart mit Beschluss vom 29.10.2020 – 15 UF 194/20 zu entscheiden. Nach dem Sachverhalt war zum Zeitpunkt der Entscheidung ein Verfahren wegen Ehescheidung seit drei Jahren anhängig. Der Ehemann lebte nicht mehr in der gemeinsamen Immobilie, dort wohnte die getrennt lebende Ehefrau mit einem gemeinsamen minderjährigen Kind, 9 Jahre alt. Das OLG Stuttgart hat einen generellen Ausschluss des Antrags auf Teilungsversteigerung vor rechtskräftiger Scheidung verneint, vielmehr auf eine notwendige Interessenabwägung, entsprechend einem Antrag auf Zuweisung der Nutzung der Ehewohnung, zur Vermeidung einer „unbilligen Härte“ im Sinne des § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB verwiesen. Dabei wurde weiter ausgeführt, dass eine unbillige Härte nicht voraussetzt, dass Gefahr für Leib und Leben besteht, jedoch auch bloße „Unannehmlichkeiten oder Unbequemlichkeiten“ ebenfalls nicht genügen. Weiter wurde ausgeführt, dass sich auch aus der Beeinträchtigung eines gemeinsamen minderjährigen Kindes die Grundlage für die Zuweisung zur alleinigen Nutzung in Bezug auf die Ehewohnung ergeben könne.

Im konkreten Fall wurde das Vorliegen entsprechender Gründe für eine Wohnungszuweisung nicht bestätigt, damit der Antrag auf Durchführung eines Teilungsversteigerungsverfahrens zugelassen.