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OLG München, Urteil vom 22.11.2018 – 32 U 1376/18 – “Schriftformmangel wegen unzureichender Inbezugnahme


Das Oberlandesgericht München hatte mit Urteil vom 22.11.2018 einen Sachverhalt zu beurteilen, der insbesondere im Hinblick auf die gesetzliche Schriftform von Interesse ist.

Gegenstand des Mietvertrags war eine Zahnarztpraxis. Vereinbart war eine Vertragsdauer vom 01.09.2004 bis 30.09.2014. Der Mieter hatte wirksam von einem Optionsrecht Gebrauch gemacht, durch das das Mietverhältnis um weitere 5 Jahre verlängert wurde. Der Vermieter versuchte mit allen Mitteln, den Mieter loszuwerden. Er kündigte mehrfach – unwirksam – wegen Eigenbedarfs. Im Vorprozess über die Frage, ob die Option wirksam ausgeübt wurde, beleidigte der Vermieter den Mieter permanent und behauptete schriftsätzlich beispielsweise, dass der Mieter exorbitant hohe Rechnungen stelle und Zahnbehandlungen in die Länge ziehe. Auch außerhalb des Prozesses versuchte der Vermieter, Druck auf den Mieter auszuüben, um ihn zum Verlassen der Mieträumlichkeiten zu bewegen. So hat der Vermieter beispielsweise unaufgefordert einen Makler gebeten, für den Mieter neue Räumlichkeiten zu suchen. Der Mieter gewinnt den Vorprozess über die Frage, ob sich das Mietverhältnis durch Optionsausübung verlängert hat. Nachdem die Schikanen des Vermieters fortdauern, erklärt der Mieter die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses und macht Schadenersatz in beachtlicher Höhe geltend. Das Oberlandesgericht München stellt zunächst fest, dass dem Mieter die Schadensersatzansprüche dem Grunde nach zustehen, denn das Verhalten des Vermieters stellte einen wichtigen Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung dar. Rechtsfolge ist, dass der Vermieter den durch die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses entstehenden Schaden zu erstatten hat.

Unabhängig von der Frage der fristlosen Kündigung ist das Urteil aber deshalb von großem Interesse, weil sich das Oberlandesgericht München auch mit der gesetzlichen Schriftform nach § 550 S. 1 BGB befasst. Die Mietvertragsparteien hatten am 28.05.2004 den Mietvertrag geschlossen und zeitgleich, also ebenfalls am 28.05.2004, einen Nachtrag zum Mietvertrag vereinbart, mit dem eine Wertsicherungsklausel geregelt wurde. Auf diesen Nachtrag wurde im Mietvertrag verwiesen. Auch der Nachtrag enthält einen Verweis auf den zeitgleich abgeschlossenen Mietvertrag. Einige Jahre später, nämlich mit Datum vom 09.10.2007, schlossen die Parteien eine Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag. In dieser Zusatzvereinbarung wurde nur auf den Mietvertrag, nicht aber auf den zeitgleich geschlossenen Nachtrag zum Mietvertrag Bezug genommen. Das Oberlandesgericht München meint nunmehr, das Mietverhältnis wahre nicht die für die Wirksamkeit der vereinbarten Laufzeit von mehr als einem Jahr erforderliche schriftliche Form, sodass der Mietvertrag gemäß §§ 550 S. 1, 578 Abs. 1 BGB als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt und ordentlich kündbar war. Die Schriftform des § 550 BGB ist nur gewahrt, wenn sich die Einigung über alle wesentlichen vertraglichen Vereinbarungen – insbesondere den Mietgegenstand, den Mietzins sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses – aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert, sodass sich der Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel dieser „verstreuten“ Bedingungen ergibt, müssen die Parteien zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen. Ein Nachtragsvertrag wahrt die Schriftform eines Mietvertrags nur dann, wenn er eine Bezugnahme auf die Schriftstücke enthält, aus denen sich sämtliche wesentlichen vertraglichen Vereinbarungen ergeben (BGH, Urteil vom 09.04.2008 – XII ZR 89/06, NJW 2008, 2181). Die Parteien haben den Mietvertrag und den Nachtrag zum Mietvertrag in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang am 28.05.2004 geschlossen. Die Urkunden waren nicht körperlich verbunden. In dem sogenannten Nachtrag haben die Parteien eine Wertsicherungsklausel vereinbart. Diese betrifft die Miethöhe und damit eine wesentliche vertragliche Vereinbarung. Mit der Vereinbarung des Nachtrags haben die Parteien die Schriftform gewahrt. Der Nachtrag nimmt hinreichend bestimmt auf den Mietvertrag Bezug, lässt erkennen, dass der Mietvertrag im Übrigen unverändert gelten soll und ist von beiden Parteien unterzeichnet. Der Schriftformmangel wurde aber dadurch herbeigeführt, dass die Mietvertragsparteien den Nachtrag vom 09.10.2007 schlossen und in dieser Vereinbarung nicht auf den Nachtrag vom 28.05.2004 Bezug nahmen, sondern nur auf den Mietvertrag vom 28.05.2004.