Project Description

BGH, Urteil vom 11.04.2018 – XII ZR 43/17 – “Schriftformmangel bei Mieterhöhung aufgrund eines Leistungsvorbehalts


Schon eine ungeschickte Vertragsgestaltung kann Schriftformmängel zwar nicht bei Abschluss des Mietvertrags, aber während der Durchführung des Mietverhältnisses geradezu provozieren. Dies zeigt das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11.04.2018 – XII ZR 43/17.

Der Vermieter vermietet mit Vertrag vom 04.07.2006 an zwei Rechtsanwälte Gewerberäume befristet bis zum 31.12.2017. Der Mietvertrag enthält zur Miete einen „Leistungsvorbehalt“. Jede Partei kann eine Neufestsetzung der ursprünglich vereinbarten Miete verlangen, wenn sich der Verbraucherpreisindex für Deutschland, Basis 2000 = 100, um mehr als 4 % gegenüber dem Zeitpunkt des Mietabschlusses oder der letzten Mietänderung erhöht oder erniedrigt. Vereinbart wird, dass ein Sachverständiger die Festsetzung der Miete vornehmen soll, wenn sich die Parteien nicht innerhalb von sechs Wochen ab Eintritt der genannten Indexsteigerung einigen. Außerdem enthielt der Mietvertrag eine sogenannte Schriftformheilungsklausel. Sollte der Mietvertrag oder seine Nebenabreden ganz oder teilweise nicht der Schriftform des § 550 BGB genügen, sei das vorzeitige Kündigungsrecht des § 550 S. 2 BGB ausgeschlossen. Die Mietvertragsparteien verpflichteten sich in diesem Fall, alles notwendige zu tun, um die Schriftform herbeizuführen. Gleiches soll für Ergänzungen und Nachträge gelten.

Ferner sieht der Mietvertrag vor, dass die Mieter ohne Erlaubnis des Vermieters nicht zur Untervermietung berechtigt sein sollten, wobei es der Zustimmung des Vermieters dann nicht bedurfte, wenn die Untervermietung nicht im Widerspruch zum Büronutzungszweck stand.

Mit Schreiben vom 27.12.2012 teilte der Vermieter den Mietern mit, dass sich der Verbraucherpreisindex seit der letzten Mieterhöhung um mehr als 4 % verändert habe, und bat darum, die monatliche Miete ab dem 01.04.2013 auf Euro 2.273,60 anzupassen. Dem kamen die Mieter nach, indem sie ab April 2013 die höhere Miete zahlten.

Im Jahre 2013 zogen die Mieter aus. Sie vermieteten die Räume ab Mitte Juli 2013 an einen Pflegedienst unter. Der Vermieter verweigerte jedoch die Zustimmung zu dieser Untervermietung. Daraufhin kündigten die Mieter mit Schreiben vom 12.02.2014 fristlos und stellten die Mietzahlungen ein.

Der Bundesgerichtshof kommt zum Ergebnis, dass das Mietverhältnis aufgrund der Kündigung vom 12.02.2014 unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist mit Ablauf des 30.09.2014 endete. Der Mietvertrag war nämlich wegen eines Schriftformmangels mit der ordentlichen Kündigungsfrist (§ 580a Abs. 2 BGB: Spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres) kündbar. Die von §§ 578 Abs. 1 und 2, 550 BGB geforderte Schriftform ist nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere über den Mietgegenstand, die Miete sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses, aus einer von den Parteien unterzeichneten Urkunde oder aus gleichlautenden, von jeweils einer Partei unterzeichneten Urkunden ergibt. Von der Schriftform ausgenommen sind lediglich solche Abreden, die für den Inhalt des Vertrags, auf den die Parteien sich geeinigt haben, von nur nebensächlicher Bedeutung sind. Für Vertragsänderungen gilt nichts anderes als für den Ursprungsvertrag. Sie müssen daher ebenfalls der Schriftform des § 550 BGB genügen, es sei denn, dass es sich um unwesentliche Änderungen handelt (BGH NJW 2016, 311 Rn. 12). Die vertragliche Änderung der Miete stellt stets eine wesentliche und – jedenfalls soweit sie für mehr als ein Jahr erfolgt und nicht jederzeit vom Vermieter widerrufen werden kann – dem Formzwang des § 550 S. 1 BGB unterfallende Vertragsänderung dar. Bei der Miete handelt es sich per se um einen vertragswesentlichen Umstand, der für den von § 550 BGB geschützten potentiellen Grundstückserwerber von besonderem Interesse ist. Dies gilt umso mehr, als sich Änderungen unmittelbar auf die Möglichkeit des Vermieters zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs auswirken können (BGH NJW 2016, 311 und BGH NJW 2017, 3772 Rn. 22). Für die zum 01.04.2013 erfolgte Erhöhung der Nettomiete um mehr als 10 % ist die Schriftform des § 550 S. 1 BGB nicht eingehalten. Dies wäre jedoch erforderlich, weil sie nicht auf der Ausübung eines dem Vermieter vertraglich eingeräumten einseitigen Leistungsbestimmungsrechts, sondern auf der – hier durch die auf Bitte des Klägers erhöhten Zahlungen der Beklagten konkludent erfolgten – vertraglichen Vereinbarung der Vertragsparteien beruht.

Allerdings greift § 550 BGB nicht ein, wenn einer Partei im Mietvertrag bereits die Möglichkeit eingeräumt ist, durch einseitige Willenserklärung eine Vertragsänderung herbeizuführen, und sie dann von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. In diesem Fall muss sich allein die ursprüngliche vertragliche Bestimmung am Schriftformerfordernis des   § 550 S. 1 BGB messen lassen, wohingegen die Ausübung des Anpassungsrechts nicht laufzeitschädlich im Sinne von § 550 BGB sein kann. Der Bundesgerichtshof hat dies etwa für die Ausübung eines Optionsrechts auf Vertragsverlängerung oder auch für die vertraglich gestattete einseitige Anpassung von Nebenkostenvorauszahlungen entschieden (BGH NJW 2014, 1300 Rn. 27 ff. mwN). Nicht dem Schriftformerfordernis des § 550 S. 1 BGB unterfällt zudem eine Änderung der Miete, die ihre Grundlage in einer – ihrerseits schriftformbedürftig – vertraglich vereinbarten, automatisch zur Mietanpassung führenden Indexklausel hat (BGH NJW 2014, 1300 Rn. 32). So verhält es sich im streitgegenständlichen Fall jedoch nicht. Mit der maßgeblichen Vertragsklausel ist weder eine Anpassungsautomatik verbunden noch den Parteien das Recht eingeräumt, die geschuldete Miete durch eine einseitige Willenserklärung zu verändern. Vielmehr kann eine Vertragspartei bei Vorliegen der entsprechenden Indexänderung eine Neufestsetzung verlangen. Wie die vertragliche Gestaltung ergibt, hat diese Neufestsetzung durch eine Einigung der Vertragsparteien zu erfolgen. Erst wenn es binnen der in der Klausel genannten Frist nicht zu einer solchen Einigung kommt, erfolgt die Festsetzung der geschuldeten Miete durch einen Sachverständigen. Dieses nur ersatzweise bestehende Leistungsbestimmungsrecht eines Dritten ändert den Regelungsgehalt der Klausel nicht dahin, dass sie insgesamt ein durch einseitige Erklärung auszuübendes Änderungsrecht der Vertragsparteien festschreibt. Der Vermieter hatte um eine Erhöhung der Miete gebeten und dabei eine konkrete neue Miete genannt. Indem die Mieter ab dem geforderten Zeitpunkt diese vom Vermieter erbetene höhere Miete entrichteten, stellten sie die vom Mietvertrag geforderte Einigung her, ohne dass es zu einer § 550 S. 1 BGB genügenden Beurkundung der damit erfolgten Vertragsänderung gekommen wäre (BGH WuM 2018, 151 Rn. 20 ff.).

Den Mietern ist die Berufung auf diesen Schriftformverstoß auch nicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwehrt. Eine Treuwidrigkeit folgt insbesondere nicht aus der im Vertrag enthaltenen Schriftformheilungs- und Kündigungsausschlussklausel. Wie der Bundesgerichtshof nämlich bereits entschieden hat (NJW 2017, 3772 Rn. 34 ff.) sind Schriftformheilungsklauseln stets unwirksam. Die Vorschrift des § 550 BGB soll nicht nur sicherstellen, dass ein späterer Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes auf Seiten des Vermieters in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Mietverhältnis eintritt, dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Mietvertrag ersehen kann. Vielmehr dient sie ebenfalls dazu, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden auch zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien zu gewährleisten und diese vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen. Mit diesem Schutzzweck des nicht abdingbaren § 550 BGB sind Schriftformheilungsklauseln unvereinbar. Denn sie hätten zur Folge, dass die Vertragsparteien an eine nicht schriftliche Vereinbarung für die volle Vertragslaufzeit gebunden wären, der mit der Vorschrift jedenfalls auch beabsichtigte Übereilungsschutz ausgehöhlt und die wichtige Warnfunktion der Bestimmung weitgehend leerlaufen würde. Dies gilt unabhängig davon, ob sie – wie im vorliegenden Fall – zusätzlich die Rechtsfolge des § 550 S. 2 BGB ausdrücklich abbedingen.

Nun hatten die Mieter vorliegend nicht ordentlich unter Berufung auf einen Schriftformmangel, sondern am 12.02.2014 fristlos gekündigt. Diese – aus hier nicht näher interessierenden Gründen – unwirksame fristlose Kündigung ist aber in eine ordentliche Kündigung umzudeuten. Zwar kann wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen eine fristlose Kündigung nicht in jedem Falle in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden, wenn die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung wie hier nicht vorliegen. Eine Umdeutung ist aber dann zulässig und angebracht, wenn – für den Kündigungsgegner erkennbar – nach dem Willen des Kündigenden das Vertragsverhältnis in jedem Falle zum nächstmöglichen Termin beendet werden soll (BGH NJW 2013, 3361 Rn. 17). Diese Voraussetzungen lagen vor. Die Mieter hatten die Nutzung der Räume aufgegeben und neue Kanzleiräume bezogen. Folglich war der Wille der Mieter erkennbar, das Vertragsverhältnis zumindest zum nächstmöglichen Termin zu beenden, wenn die fristlose Kündigung unwirksam sein sollte.