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OLG Hamm, Urteil vom 05.06.2020 – 30 U 163/19 – “Schriftform“


Mit Urteil vom 05.07.2020 – 30 U 163/19 – beschäftigte sich das Oberlandesgericht Hamm mit einem „Dauerbrenner“ des gewerblichen Mietrechts, nämlich der Frage, wann ein für mehr als ein Jahr geschlossener Mietvertrag wegen eines Schriftformmangels nach § 550 S. 1 BGB ordentlich gekündigt werden kann.

In einem Mietvertragsnachtrag hatten die Mietvertragsparteien eine Verlängerung der Mietzeit vereinbart und dies unsorgfältig formuliert. Geregelt wurde:

„Die Laufzeit des Mietvertrags wird beginnend mit dem 31.12.2013 um 15 Jahre bis zum 15.01.2029 verlängert.“

Der Vermieter und das erstinstanzlich entscheidende Landgericht meinten, dies führe zu einem Schriftformmangel, weil die Vereinbarung zur Laufzeit nicht hinreichend bestimmt sei und sich auch im Wege der Auslegung die genaue Mietdauer nicht ermitteln lasse. Das Oberlandesgericht Hamm ist jedoch zutreffend anderer Meinung. Richtig ist zwar, dass die Regelung auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint, da die dort zunächst angeführte Verlängerung „beginnend mit dem 31.12.2013 um 15 Jahre“ eine Beendigung des Mietverhältnisses zum 31.12.2028 und nicht, wie sodann nachfolgend angeführt, „zum 15.01.2029“ nahelegt. Hierbei handelt es sich jedoch nur um einen scheinbaren Widerspruch auf den ersten Blick. Bei genauerer Betrachtung, insbesondere der gebotenen Auslegung, ergibt sich, dass als Beendigungszeitpunkt allein der 15.01.2029 gewollt und gemeint gewesen sein kann. Auch formbedürftige Vertragsklauseln sind grundsätzlich der Auslegung zugänglich, wenn sie sich als unklar oder lückenhaft erweisen. Selbst wesentliche Tatbestandsmerkmale des Rechtsgeschäfts brauchen daher nicht bestimmt angegeben zu werden, sofern nur die Einigung über sie beurkundet ist und ihr Inhalt bestimmbar bleibt (BGH NJW 1999, 2591, 2592 f. und NJW 1999, 3257, 3259). Die somit mögliche und auch gebotene Auslegung der nach § 550 S. 1 BGB formbedürftigen Regelung zur Mietdauer lässt allein den Schluss zu, dass als Mietbeendigungszeitpunkt der 15.01.2029 vereinbart ist. Dies folgt schon zwingend aus der Anführung eines genauen Beendigungszeitpunktes. Dem konkreten angeführten Datum ist der Vorrang einzuräumen. Denn wird ein solches neben einem Verlängerungszeitraum angeführt, kann dem jedenfalls dann, wenn sich – wie vorliegend – aus beiden eine geringfügige Abweichung ergibt, allein der Bedeutungsgehalt beigemessen werden, dass der konkret angeführte Zeitpunkt der maßgebliche Tag sein soll. Andernfalls wäre seine Angabe offenkundig schlicht überflüssig. Bei der Angabe des Verlängerungszeitraums handelt es sich in einem solchen Fall offenkundig lediglich um eine ungefähre Angabe, die durch die Benennung des genauen Datums sodann konkretisiert wird.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wird beim Bundesgerichtshof unter dem Az. XII ZR 59/20 geführt.