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OLG München, Urteil vom 06.08.2020 – 32 U 4004/18 – “Schriftform“


Obgleich im Rechtsverkehr zwischen Unternehmen weitgehend bekannt ist, dass Mietverträge mit einer längeren Laufzeit als ein Jahr ordentlich kündbar sind, wenn der Mietvertrag selbst oder ein Mietvertragsnachtrag nicht die gesetzliche Schriftform wahrt (§ 550 BGB) kommt es immer wieder in einer Vielzahl von Fällen insbesondere durch mündliche Vereinbarungen, die den Mietvertrag ändern, zu Schriftformfehlern, die der Vertragspartei, die sich aus einem langjährigen Mietvertrag verabschieden möchte, die Gelegenheit zur ordentlichen Kündigung gibt. Einen derartigen Fall hatte jetzt erneut das Oberlandesgericht München (Urteil vom 06.08.2020, Az. 32 U 4004/18) zu entscheiden. Dieser ist meines Erachtens nicht nur wegen des Rechtsproblems, sondern insbesondere deshalb interessant, weil er verdeutlicht, wie schnell und wie leicht es zu Schriftformfehlern kommen kann. Die daraus zu ziehende Lehre kann nur sein, dass bei jeder einen Mietvertrag ändernden Absprache in einem langjährigen Mietverhältnis professioneller Rechtsrat unabdingbar ist.

Mietsache waren zum Betrieb eines Gesundheits- und Fitnesscenters genutzte Räume. Vereinbart war zunächst eine Vertragsdauer bis zum 31.12.2018. Die vermieteten Räumlichkeiten verfügten über 66 Fenster, überwiegend mit Oberlichtern. Diese konnten bis zum Jahr 2015 durch Außenrollos verschattet werden. Der Mietvertrag enthielt die Regelung, dass der Vermieter die Erhaltungspflicht bezüglich der Außenrollos trägt. Im Rahmen von Erhaltungsmaßnahmen im Jahr 2015 an der Fassade und an den Fenstern ließ der Vermieter sämtliche Außenrollos entfernen. Dies erfolgte wegen der mit der Erneuerung der Rollos verbundenen erheblichen Kosten, die der Vermieter nicht bereit war zu tragen. Die Vertragsparteien vereinbarten, dass der Vermieter an den Fenstern Innenrollos anbringen lässt, an denen dies der Mieter wünsche. In der Folge sind nur im Bereich der Ausdauergeräte auf Wunsch des Mieters Innenrollos angebracht worden.

Einige Zeit nach dieser mündlichen Absprache schlossen die Mietvertragsparteien einen Nachtrag, mit dem sie eine Verlängerung der Mietzeit bis 31.12.2026 vereinbarten. Mit Schreiben vom 29.09.2016, das dem Mieter erst am 08.10.2016 und damit nach dem dritten Werktag im Oktober 2016 zuging, kündigte der Vermieter das Mietverhältnis ordentlich mit der Folge, dass das Mietverhältnis zum 30.06.2017 endete, weil der Mietvertrag wegen der mündlichen Abrede bezüglich der Rollos an einem Schriftformmangel mit der Folge litt dass der Mietvertrag ordentlich (also unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist: Gemäß § 580a Abs. 2 BGB spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres) gekündigt werden konnte.

Der Mietvertrag galt nach § 550 S. 1 BGB als auf unbestimmte Zeit geschlossen, da er nicht die Schriftform wahrte. Damit konnte der Vermieter den Mietvertrag ordentlich kündigen. Gemäß §§ 550, 578 BGB müssen Mietverträge mit einer Laufzeit von über einem Jahr der Schriftform genügen. Das Schriftformerfordernis ist nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Mietvertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen – insbesondere über den Mietgegenstand, die Miete sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses – aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Ebenso müssen sämtliche nachträglichen Änderungen des Vertrags der Schriftform des § 550 BGB genügen, es sei denn, dass es sich um unwesentliche Änderungen handelt. Soweit die Schriftform für einen Mietvertrag nicht eingehalten ist, berührt dies nicht dessen Wirksamkeit. Der Vertrag kann allerdings unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist vorzeitig, d. h. vor Ablauf der vertraglich vereinbarten Festlaufzeit, gekündigt werden. Grundsätzlich unterliegen auch Nebenabreden der Schriftform, wenn sie den Inhalt des Mietverhältnisses gestalten und nach dem Willen der Vertragsparteien wesentliche Bedeutung haben (BGH, Urteil vom 25.11.2015 – XII ZR 114/14, Rn. 29). Treffen die Mietvertragsparteien Vereinbarungen zu am Mietobjekt vorzunehmenden Um- und Ausbauarbeiten und dazu, wer diese vorzunehmen und wer die Kosten zu tragen hat, so kann diesen Abreden vertragswesentliche Bedeutung zukommen. Eine vertragswesentliche Nebenabrede zu Um- und Ausbauarbeiten kann nicht nur bei einer Flächenvergrößerung oder bei einem verlorenen Baukostenzuschuss vorliegen (BGH, a.a.O., Rn. 31). Lediglich in Fällen, in denen es sich um eine bloße Ausgestaltung bereits getroffener Vereinbarungen handelt, durch welche die zunächst in allgemeinerer Form getroffenen Vereinbarungen konkretisiert, inhaltlich aber nicht verändert werden, wird eine vertragsunwesentliche Nebenabrede zu sehen sein, die dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB nicht genügen muss. Gemessen an diesen Grundsätzen haben die Parteien bezüglich der Verschattung der Fenster eine wesentliche Abrede getroffen, die der Schriftform bedurft hätte. Die mietvertraglichen Vereinbarungen zur Instandhaltung und Instandsetzung (wonach der Vermieter die Erhaltungspflicht bezüglich der Außenrollos trägt) sind in wesentlichen Punkten abgeändert worden, da der Mieter auf eine Instandsetzung der Außenrollos verzichtete. Im Gegenzug brachte der Vermieter nur in einem kleineren Teilbereich Innenrollos an. Für einen Erwerber war nicht erkennbar, ob und inwieweit ein Anspruch des Mieters auf Anbringung von Außenrollos oder auf Anbringung weiterer Innenrollos besteht. Dabei liegt es nahe, dass das Fehlen von Sonnenschutzeinrichtungen an heißen Tagen den Gebrauch der Mieträume zum vertraglich vereinbarten Zweck erheblich einschränken kann. Sowohl wegen der erheblichen Auswirkung auf den vertragsgemäßen Gebrauch als auch wegen der mit der Anbringung von Außenrollos verbundenen erheblichen Kosten handelt es sich um für die Parteien wesentliche Vereinbarungen.

Der Schriftformmangel ist auch nicht durch den nach der mündlichen Abrede geschlossenen Mietvertragsnachtrag geheilt worden, mit dem eine Verlängerung der Mietzeit bis 31.12.2026 vereinbart wurde. Grundsätzlich können die Mietvertragsparteien die Schriftform einvernehmlich mit Rückwirkung nachholen. Erforderlich ist aber ein Nachtrag, der den ursprünglichen Mangel heilt (so Schweitzer in Guhling/Günter, Gewerberaummiete, § 550 BGB Rn. 97). In dem Nachtrag über die Verlängerung der Laufzeit haben die Parteien aber keinerlei Regelungen über die Pflicht zur Installation oder Erhaltung von Verschattungsanlagen getroffen und damit den ursprünglichen Schriftformmangel nicht geheilt.