Project Description

OLG München, Urteil vom 19.05.2021 – 7 U 2338/20 – “Räderwechsel und der „Kontrollhinweis nach 50 km““


Das Oberlandesgericht München hatte sich in der Berufungsinstanz in einem Urteil vom 19.05.2021 – 7 U 2338/20 (DAR , 2022, 32 ff.) mit einem Unfall ohne Fremdeinwirkung durch andere Verkehrsteilnehmer, aufgrund des Verlusts des linken hinteren Rades an einem Pkw nach vorangegangenem Reifenwechsel zu befassen. Nach dem Reifenwechsel kam es nach ca. 100 km zum Verlust des Rades auf der Autobahn, der Pkw wurde erheblich beschädigt.

In der Berufungsinstanz streitig war die Erstattungsfähigkeit von Gutachterkosten (nach zusätzlicher Vorlage eines Gutachtens durch die Vollkaskoversicherung des Geschädigten), von Nutzungsausfallentschädigung hinsichtlich des zu einem Betriebsvermögen gehörenden Pkw sowie insbesondere ein Mitverschulden des Geschädigten, in der ersten Instanz mit 30 % eingestellt. Unstreitig war auf der Rechnung zum Räderwechsel ein Aufdruck angebracht, mit dem Wortlaut: „Achtung! Alufelgen nach 50 km Radmuttern nachziehen.“ Ebenso wurde durch den Unternehmer auf einen Aushang mit entsprechendem Wortlaut verwiesen und geltend gemacht, der Mitarbeiter der Werkstatt hätte angeboten, einen entsprechenden Aufkleber im Fahrzeug anzubringen, was abgelehnt worden sei.

Durch das OLG München wurde die Berechtigung zur Geltendmachung von Gutachterkosten bestätigt, trotz Vorliegens einer Begutachtung durch die Vollkaskoversicherung. Das berechtigte Interesse wurde auf den klärungsbedürftigen Minderwert durch den Schaden gestützt sowie auch die grundsätzliche Berechtigung eines Geschädigten die Überprüfung des Schadens durch einen selbst beauftragten Gutachter durchführen zu lassen. Dagegen wurde die Forderung von Nutzungsausfallentschädigung zurückgewiesen, das Fahrzeug des Geschädigten gehörte zu einem Betriebsvermögen und wurde nahezu ausschließlich betrieblich genutzt.

Wesentlich war jedoch die Feststellung des OLG München, dass ein Mitverschulden des Geschädigten nicht zu berücksichtigen ist. Gestützt wurde dies auf die Angaben des gerichtlichen Sachverständigen bereits in erster Instanz, wonach bei ordnungsgemäßer Durchführung des Reifenwechsels, mit ordnungsgemäß angezogenen Schrauben, ein Nachjustieren weder technisch erforderlich noch vorgeschrieben sei. Damit konnte ein Hinweis auf der Rechnung, welcher nicht Vertragsbestandteil wurde, nach der Entscheidung des OLG München kein Mitverschulden des Geschädigten begründen. Da bei ordnungsgemäßer Durchführung des Reifenwechsels keine technische Notwendigkeit zur Kontrolle bestand, musste ein „wirtschaftlich denkender Mensch nach Lage der Dinge“ keine entsprechende Kontrolle veranlassen, sodass nach dem Maßstab für ein Mitverschulden als „Verschulden in eigener Angelegenheit“ keine Grundlage für eine Kürzung der Ersatzforderung, der Haftung dem Grunde nach, bestand.