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Oberlandesgericht München, Beschluss vom 02.04.2019 – 28 U 413/19 – “Ordnet der Auftraggeber die Nichtausführung einer Teilleistung an, ist das eine Teilkündigung“
Das Oberlandesgericht München hat einen in den Bauabläufen nicht seltenen Fall zu entscheiden gehabt. Ihm lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer mit der Ausführung von Metallarbeiten im Rahmen der Errichtung eines Schulgebäudes. Zwei Positionen, die vertraglicher Leistungsgegenstand sind, kommen nicht zur Ausführung, da der Auftraggeber diese nicht ausgeführt haben möchte. Der Auftragnehmer berechnet für die entfallenen Leistungen seinen “entgangenen Gewinn/die Kündigungsvergütung“. Der Auftraggeber meint, diese Vergütung nicht zu schulden, da die komplett entfallenen Positionen nach § 2 Abs. 3 VOB/B, der Vorschrift für Mengenänderungen, abgerechnet werden müssen, es fehle darüber hinaus an einer schriftlichen Kündigung.
Das Oberlandesgericht München gibt dem Auftragnehmer Recht und begründet dies damit, dass § 2 Abs. 3 VOB/B dann Anwendung findet, wenn eine Äquivalenzstörung, also ein Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt. Die Vorschrift will einen interessengerechten Ausgleich für Mengenänderungen herbeiführen, wenn sich die im Vertrag enthaltene Mengenschätzung als unzutreffend erweist. Bei Einheitspreisverträgen wird bekanntlich der zu erwartende Aufwand häufig geschätzt und zur Grundlage der Preiskalkulation gemacht, die Realität sieht immer wieder ganz anders aus.
Anders ist die Situation aus Sicht des Oberlandesgerichts München, wenn der Auftraggeber auf bestimmte Positionen ganz verzichtet. Dann läge keine Störung der Geschäftsgrundlage nach den Wertungen des § 2 Abs. 3 VOB/B vor, da es hier nicht darum geht, ob die Prognose zutreffend gestellt war oder nicht, vielmehr komme bei Nullpositionen nur eine Abrechnung nach § 8 VOB/B bzw. § 648 BGB in Betracht.
Diese Rechtsprechung ist zumindest insoweit zutreffend, als der Auftragnehmer ja auch mit den entfallenen Positionen kalkuliert hat und auch mit ihnen Teile seiner allgemeinen Geschäftskosten und baustellenbezogenen Kosten erwirtschaften wollte, ebenso natürlich seinen Gewinn. Da es auch zulässig ist, einzelne Positionen im Rahmen eines Angebots besonders günstig, andere weniger günstig zu kalkulieren, verlöre der Auftragnehmer unter Umständen einen wichtigen Bestandteil seiner Kalkulation, wenn der Auftraggeber durch den Entfall einzelner Positionen hier steuernd eingreifen könnte, ohne eine Kündigungsvergütung zu zahlen.
Für Auftragnehmer, die nur einen Teil der ausgeschriebenen und vereinbarten Leistungen erbringen, ist diese Entscheidung eine wichtige Stütze zur Geltendmachung zusätzlicher Ansprüche über die erbrachten Leistungen hinaus.