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OLG Köln, Beschluss vom 31.05.2021 – I-22 U 205/20 – “OLG Köln zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie“


Nunmehr hat sich auch das Oberlandesgericht Köln mit Beschluss  vom 21.05.2021 – I-22 U 205/20 im Rahmen eines Räumungsrechtsstreits zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Mietzahlungsverpflichtung im gewerblichen Mietrecht geäußert.

Das Oberlandesgericht Köln schließt sich der weit überwiegenden Auffassung an, dass die allgemeinen Auswirkungen der Corona-Pandemie in Gestalt von Umsatzeinbußen mangels Publikumsverkehrs sowie von behördlich verordneten Beschränkungen – im konkreten Fall des Gastronomiegewerbes – in der Regel keinen Mangel der Mietsache begründen und deshalb auch keine Minderung der Miete rechtfertigen. Aufgrund pandemiebedingt behördlich verhängter Beschränkungen, insbesondere etwa im Gastronomiegewerbe, kann jedoch eine Anpassung des geschuldeten Mietzinses nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage geboten sein, namentlich soweit die Mietsache infolge behördlicher Schließungsanordnungen nicht ihrem mietvertraglichen Zweck entsprechend genutzt werden darf. Offengelassen wurde, ob dies gegebenenfalls – ausnahmsweise – auch über die Zeit von Schließungsanordnungen hinaus erfolgen kann. Das Gericht betont aber, dass eine Anpassung des Vertrags nur in Betracht kommt, wenn das Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar erscheint. Hierbei erfordert die Prüfung dieser Voraussetzungen eine umfassende Interessenabwägung unter Würdigung aller Umstände, insbesondere auch kompensierender Vorteile, die dem Mieter neben den Nachteilen aus den eingetretenen Veränderungen erwachsen sind. Soweit ein Mieter geltend machen möchte, dass er infolge pandemiebedingter Auswirkungen Anspruch auf Anpassung des Mietzinses gemäß § 313 BGB hat, so kann das Gericht nach Auffassung des Oberlandesgerichts Köln die Interessenabwägung in seinem Sinne nur dann vornehmen, wenn er schlüssig und substantiiert dazu vorträgt, dass und gegebenenfalls inwieweit seine Umsätze durch die Pandemie während der Zeiten behördlich verordneter Beschränkungen zurückgegangen sind. Das schließt substantiiertes Vorbringen zu erhaltenen oder aber zwar beanspruchbaren, aber zurechenbar dennoch nicht beantragten staatlichen Hilfszahlungen mit ein. Hiergegen reicht es nicht aus, pauschal auf die Folgen der Corona-Pandemie Bezug zu nehmen und sich auf gerichtsbekannte Einschränkungen des allgemeinen Wirtschaftslebens und die Schließung des Betriebs zu berufen.

Das Gericht führt aus, dass insbesondere im Falle von zeitlich nicht völlig zu vernachlässigenden Schließungsanordnungen, tendenziell aber auch im Falle von pandemiebedingten, deutlich spürbaren hoheitlich verordneten Gebrauchsbeschränkungen, regelmäßig davon auszugehen sei, dass sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags im Sinne von § 313 BGB geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben. Ob dies jeweils aus Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB folgt, bedarf nach Auffassung des Gerichts keiner abschließenden Entscheidung. Auch wenn diese Vorschrift erst ab dem 31.12.2020 gilt, bringt sie einen bereits zuvor, nämlich schon während des ersten Lockdowns im März/April 2020 gültigen Rechtsgedanken zum Ausdruck. So lässt sich auch aus den Gesetzesmaterialien entnehmen, dass es sich um eine Klarstellung der Rechtslage handeln soll. Nach dieser Vorschrift wird vermutet, dass sich ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat, sofern vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind. Dasselbe Ergebnis ergäbe sich nach Einschätzung des Gerichts allerdings auch bei unmittelbarer Anwendung von § 313 BGB. Denn die Möglichkeit eines gesamtwirtschaftlich gesehen „geregelten Geschäftsbetriebs“ dürfte unabhängig von Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB als sogenannte „Große Geschäftsgrundlage“ im Sinne einer gemeinsamen Vorstellung der Parteien gemäß § 313 BGB anzuerkennen sein, dass es während der Vertragslaufzeit nicht zu einer Pandemie kommen wird, die sich ganz erheblich und weltweit auf den Handel und sonstige Geschäftstätigkeiten auswirkt und dass ein geregelter Geschäftsbetrieb überhaupt möglich ist. Auch geht das Gericht davon aus, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie nach der vertraglichen Risikoverteilung nicht nur vom Vermieter oder nur vom Mieter allein zu tragen sind. Denn auch wenn das grundsätzliche Verwendungsrisiko vom Mieter zu tragen ist, so gilt diese Überlegung doch nicht grenzenlos. Die Grundannahme des Ausbleibens einer Pandemie gehöre zur sogenannten „Großen Geschäftsgrundlage“. Das mit der Störung der „Großen Geschäftsgrundlage“ verbundene Risiko könne regelmäßig keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden (vgl. KG Berlin, Urteil vom 01.04.2021 – 8 U 1099/20). Folglich müssten die pandemiebedingten Auswirkungen auch Einfluss auf die Miethöhe haben.

Das Gericht betont, dass eine Anpassung des Vertrags jedoch nur in Betracht kommt, wenn das Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar erscheint. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln ist deshalb interessant, weil das Gericht im Einzelnen ausführt, welchen Vortrag des Mieters es für erforderlich erachtet, um die gebotene umfassende Interessenabwägung unter Würdigung aller Umstände, insbesondere auch der Vorteile, die dem Mieter erwachsen sind, vornehmen zu können. Das Gericht legt dar, dass für Zeiten einer staatlichen Schließungsanordnung tendenziell die Unzumutbarkeit eines gänzlich unveränderten Festhaltens am Vertrag zu bejahen sein wird. Jenseits der Zeiten, in denen Schließungsanordnungen verhängt sind, wird eine Anpassung des Vertrags hingegen für Zeiträume lediglich anderweitiger behördlich verordneter Beschränkungen mit Blick auf die Corona-Pandemie allenfalls ausnahmsweise anzunehmen sein. Hierbei können zugunsten des Mieters erhebliche Umsatzeinbußen durchaus als wesentlicher Nachteil im Rahmen der Zumutbarkeitsbewertung berücksichtigt werden. Umgekehrt müssten aber auch erhaltene oder aber zwar beanspruchbare, aber zurechenbar dennoch nicht beantragte staatliche Hilfszahlungen in die Bewertung einfließen. Denn der Gesetzgeber hat verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die wirtschaftlichen Folgen der pandemiebedingten Betriebsschließungen für die betroffenen Unternehmen abzufedern. Insbesondere ist allgemein zugänglichen Quellen, insbesondere den Veröffentlichungen der Bundesregierung sowie des BMWI zu entnehmen, dass etwa im Rahmen der sogenannten November- und Dezemberhilfen des Bundes Unternehmen, Betriebe, Selbstständige, Vereine und Einrichtungen, die von den temporären Schließungen ab 02.11.2020 erfasst waren, Zuschüsse pro Woche der Schließung bis zu 75 % des jeweiligen Umsatzes im November bzw. Dezember 2020 bewilligt werden sollten. Hinzu kommen die später beschlossenen Maßnahmen (Überbrückungshilfe II und III). Auch auf Landesebene wurden seit Beginn der Pandemie staatliche Hilfen zugesagt. Hinsichtlich all dieser etwaigen staatlichen Hilfen muss ein Mieter etwas im Prozess vortragen und darlegen, welche dieser Hilfen er beantragt und gegebenenfalls auch erhalten hat. Darzulegen ist ferner, ob eine Antragstellung unterblieben ist und weshalb. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, ob und gegebenenfalls inwieweit der Mieter durch weitere zumutbare Maßnahmen, insbesondere etwa Kurzarbeit für seine Mitarbeiter oder gar Freistellung, seine Betriebskosten hätte senken können. Auch die Möglichkeit der Erlangung von Kurzarbeitergeld wurde von der Bundesregierung deutlich erweitert. Auch diesbezüglich ist im Prozess Vorbringen des Mieters erforderlich.