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OLG Dresden, Urteil vom 24.06.2020 – 5 U 653/20 – “Öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen als Mangel des Mietobjekts


Das Oberlandesgericht Dresden beschäftigte sich mit Urteil vom 24.06.2020 – 5 U 653/20 – mit der Frage, ob der Betreiber einer Spielhalle den Mietvertrag fristlos kündigen kann, wenn ihm aufgrund einer neuen gesetzlichen Regelung wegen der Unterschreitung des Mindestabstandes der Spielhalle zu einer allgemeinbildenden Schule behördlich der Betrieb der Spielhalle im Mietobjekt untersagt wird. Dieses Urteil ist nicht nur für den Betreiber von Spielhallen von Interesse, sondern es stellt sich die Frage, ob es nicht vielleicht doch auch um Rechtsprobleme geht, die denjenigen bei einem Lockdown aufgrund der Covid-19-Pandemie entsprechen. Das wird wohl überwiegend mit dem Argument verneint, anders als bei einem Lockdown sei der gesetzlich erforderliche Mindestabstand zu einer allgemeinbildenden Schule eine Beschaffenheit der Mietsache. Ob diese feinsinnige Differenzierung wirklich überzeugend ist, bedarf aber des vertiefenden Nachdenkens.

Das Oberlandesgericht Dresden kommt zum Ergebnis, dass der Mieter der Spielhalle zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt war, weil ihm der Kündigungsgrund aus § 543 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB zur Seite stand. Wichtigster Anwendungsbereich des genannten Kündigungsgrundes ist das Bestehen eines Mangels der Mietsache gemäß § 536 Abs. 1 BGB (BGH NJW 2005, 2152; Guhling/Günter, Gewerberaummiete, § 543 BGB Rn. 25). Zum Kündigungszeitpunkt war das Mietobjekt mangelhaft, weil der Mieter es auf der Grundlage behördlicher Bescheide zu dem Mietzweck des Betriebs einer Spielhalle nicht nutzen konnte. Eine Frist zur Abhilfe brauchte nach § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BGB vom Mieter nicht gesetzt werden, weil der Mangel nicht behebbar war. Die Lage des Mietobjekts kann vom Vermieter nicht verändert werden. Die Untersagung der Nutzung des Mietobjekts als Spielhalle wegen der Verletzung des Mindestabstandsgebotes stellt einen Mangel der Mietsache dar. Öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen oder -hindernisse wie die Untersagung des Betriebs einer Spielhalle stellen einen Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB dar, wenn sie die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufheben oder mindern. Dies gilt allerdings nur dann, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit oder Lage der Mietsache beruhen und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben. Außerdem muss der Mieter durch die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen und Gebrauchshindernisse in seinem vertragsgemäßen Gebrauch auch tatsächlich eingeschränkt werden. Diese Voraussetzung ist regelmäßig nur dann erfüllt, wenn die zuständige Behörde die Nutzung des Mietobjekts durch ein rechtswirksames und unanfechtbares Verbot bereits untersagt hat. Diese Voraussetzungen waren im konkreten Fall gegeben. Die Besonderheit bestand zwar darin, dass die Mietsache bei Vertragsabschluss und bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung als Spielhalle nutzbar war und die Gebrauchsbeschränkungen erst durch gesetzgeberische Maßnahmen eintraten. Dies führte aber gleichwohl zu einem Mangel der Mietsache. Durch gesetzgeberische Maßnahmen bewirkte Gebrauchsbeschränkungen stellen nur dann einen Mangel der Mietsache dar, wenn sie in den Risikobereich des Vermieters fallen. Das ist dann nicht der Fall, wenn die Gebrauchsbeschränkungen ihre Ursache in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters haben. Hingegen ist das Verwendungsrisiko des Mieters nicht betroffen, wenn die infolge gesetzgeberischer Maßnahmen bewirkte Gebrauchsbeschränkung wie bei der Untersagung des Betriebs einer Spielhalle unmittelbar an die Lage des Mietobjekts anknüpfen. Somit lag im entschiedenen Fall ein unbehebbarer Mangel der Mietsache vor, der den Mieter zur fristlosen außerordentlichen Kündigung berechtigte.