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Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.10.2017 – V ZR 193/16 Nutzung einer Teileigentumseinheit als Flüchtlingsunterkunft zulässig?


Der Bundesgerichtshof hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob in einer Teileigentumseinheit eine Flüchtlingsunterkunft eingerichtet werden kann. Die betroffene Wohnungseigentümergemeinschaft wurde in den 1970er Jahren errichtet und in zwei Teileigentumseinheiten aufgeteilt. Die Einheit Nr. 1 wurde zum Zeitpunkt der Aufteilung als ein Altenpflegeheim genutzt. Diese Einheit gehört heute der Beklagten. In der Einheit Nr. 2, welche der Klägerin gehört, wurde eine Arztpraxis betrieben. In der Teilungserklärung ist davon die Rede, dass Sondereigentum an sämtlichen „Räumen des Altenpflegeheims“ gebildet wird. Die Einheit Nr. 1 steht seit dem Jahr 2003 leer. Die Beklagte hat zunächst angekündigt, darin ein Arbeiterwohnheim einzurichten; nunmehr beabsichtigt sie diese Einheit als Unterkunft für Asylbewerber oder Flüchtlinge zu nutzen.

Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung der Nutzung der Einheit Nr. 1 für eine Unterkunft für „Arbeiter, Asylbewerber, Flüchtlinge oder sonstige in den Raum München Zugezogene oder Gestrandete zu betreiben oder von Dritten betreiben zu lassen.“ Während das Amts-und das Landgericht die Ansicht vertreten haben, dass die Klägerin Unterlassung fordern kann, verneinte der Bundesgerichtshof einen Unterlassungsanspruch der Klägerin und wies die Klage ab.

Begründet wird dies vom Bundesgerichtshof damit, dass er die gesetzlich vorgesehenen Grundtypen der Nutzungsbefugnis (nämlich das Wohnungseigentum einerseits und das Teileigentum andererseits) sich gegenseitig ausschließen, wenn nichts anderes vereinbart ist. Wenn eine Einheit nicht zu Wohnzwecken dient (nämlich das Teileigentum) darf sie grundsätzlich nur zu Zwecken genutzt werden, die nicht dem Wohnen zuzuordnen sind. Wird dagegen eine Nutzung dem Wohnen zugeordnet, muss sie im Umkehrschluss jedenfalls im Grundsatz als zulässig erachtet werden.

Entschieden hat der Bundesgerichtshof bereits, dass die Vermietung an laufend wechselnde Feriengäste als zu Wohnzwecken dienend ansieht. In der Rechtsprechung der Instanzgerichte wurde demgegenüber vertreten, dass eine Nutzung als Heim oder als eine heimähnliche Einrichtung nicht zu Wohnzwecken dient. In der jetzigen Entscheidung klärt der Bundesgerichtshof, dass eine Nutzung als Heim dadurch gekennzeichnet ist, dass die Unterkunft in einer für eine Vielzahl von Menschen bestimmten Einrichtung erfolgt, deren Bestand von den jeweiligen Bewohnern unabhängig ist und in der eine heimtypische Organisationsstruktur an die Stelle der Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises tritt. Demnach liegt keine Wohnungsnutzung mehr vor, wenn die Nutzung nicht nur durch die schlichte Unterkunft, sondern durch die von der Einrichtung vorgegebene Organisationsstruktur und durch Dienst- oder Pflegeleistungen und/oder durch Überwachung und Kontrolle geprägt wird. Es bedarf einer Gesamtschau verschiedener Kriterien. Im Bereich der Altenpflege wird etwa das betreute Wohnen als Wohnungsnutzung angesehen, nicht aber die Nutzung durch stationäre Pflegeeinrichtungen, die in erster Linie Pflege- und Betreuungscharakter haben.

Die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern dient der Überlassung von Wohnungen von üblicher Größe und Beschaffenheit an diesen Personenkreis und damit üblicherweise zum Wohnen. Dagegen ist die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne von § 53 AsylG in der Regel als eine heimähnliche Unterbringung anzusehen, die grundsätzlich nur in Teileigentumseinheiten erfolgen kann. In typisierender Betrachtung fehlt es an einer Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises. Es müssen nämlich Zimmer und Betten zugewiesen, Verhaltensregeln im Hinblick auf Ruhezeiten sowie Nutzung gemeinschaftlicher Anlagen aufgestellt und durchgesetzt sowie Konflikte zwischen den Bewohnern geschlichtet werden. Entscheidend ist allein, ob solche Leistungen objektiv erforderlich sind, um ein gedeihliches Zusammenleben zu gewährleisten. Vergleichbare Kriterien gelten bei einem Arbeiterwohnheim.

Daran gemessen dienen die von der Beklagten beabsichtigte Nutzungen nicht zu Wohnzwecken. Die Unterbringung von Arbeitern oder Flüchtlingen soll jeweils in Mehrbettzimmern mit gemeinschaftlicher Nutzung von Küche und Sanitäranlagen erfolgen. Nach der baulichen Gestaltung weist die Einheit Nr. 1 eine heimtypische Beschaffenheit auf und ist für einen auch in einer Wohngemeinschaft unüblich großen Personenkreis ausgelegt. Der Teilungserklärung lässt sich auch nicht mit der erforderlichen Klarheit entnehmen, dass die Einheit ausschließlich als Altenpflegeheim auch in Zukunft genutzt werden muss. Daher darf die Einheit zwar nicht zum Wohnen aber zu jedem anderen Zweck genutzt werden und damit auch als Flüchtlingsunterkunft.

Der Bundesgerichtshof klärt damit die strittige Frage, welche Kriterien gelten, um eine Nutzung als Wohnnutzung zu beurteilen. Diese Frage entscheidet, ob eine bestimmte Nutzung erlaubt ist oder untersagt werden kann.