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Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.10.2021 – XII ZR 11/20 – “Neues zur Betriebspflicht“


Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 06.10.2021 – XII ZR 11/20 – seine Rechtsprechung zur Frage präzisiert, wann eine formularvertraglich vereinbarte Betriebspflicht wirksam oder unwirksam ist.

Abzugrenzen ist die neue Entscheidung von dem Urteil vom 26.02.2020 – XII ZR 51/19, das von vielen so verstanden wurde, dass eine formularmäßig vereinbarte Betriebspflicht immer dann unwirksam ist, wenn diese mit Klauseln zur Sortimentsbindung und zum Ausschluss des Konkurrenzschutzes kombiniert wird. In dem Urteil vom 26.02.2020 ging es um ein Ladenlokal in einem Einkaufszentrum in Berlin zum Betrieb eines hochwertigen Fast Food Restaurants im Bereich Kartoffelspeisen. Im Mietvertrag wurde kumulativ eine Betriebs- und Offenhaltungspflicht mit Sortimentsbindung und Ausschluss des Konkurrenzschutzes vereinbart. Der Bundesgerichtshof entschied, dass der formularmäßige Ausschluss des Konkurrenzschutzes in einem Einkaufszentrum bei gleichzeitiger Festlegung einer Betriebspflicht mit Sortimentsbindung den Mieter unangemessen benachteiligt und unwirksam ist. Rechtsfolge sei die Fortsetzung des Vertrages unter Außerachtlassung der unwirksamen Klauseln.

Dem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs vom 06.10.2021 – XII ZR 11/20 – lag ein Mietvertrag über ein Ladenlokal in einem Einkaufszentrum in Berlin zum Betrieb „eines hochwertigen Fan-World Einzelhandelsgeschäfts für den Verkauf von Fan-, Lizenz- und Geschenkartikeln und Accessoires“ zugrunde. Die Vertragschließenden hatten eine entsprechende Sortimentsbindung des Mieters und den Ausschluss eines Konkurrenz-, Sortiments- und Branchenschutzes für den Mieter vereinbart und diesem eine Betriebspflicht auferlegt.

Der Bundesgerichtshof entscheidet, dass die Regelung zur Betriebspflicht wirksam sei. Er stellt klar, dass sein Urteil vom 06.10.2021 eine enge Sortimentsbindung voraussetzt. Fehlt es hingegen hieran, weil keine hinreichend konkrete Sortimentsbindung vereinbart wurde, könne die Betriebspflicht hingegen auch formularmäßig wirksam vereinbart werden.

Eine Unwirksamkeit der Klauseln zum Ausschluss des Konkurrenzschutzes, der Sortimentsbindung und der Betriebspflicht setze voraus, dass der Mietvertrag eine strenge Sortimentsbindung enthält, die dem Mieter eine substantielle Veränderung des eigenen Angebots verbietet. Der Bundesgerichtshof verweist insoweit auf seine Entscheidung vom 03.03.2021 – XII ZR 131/08 -, in der er darlegte, dass eine Betriebspflicht auch im Zusammenspiel mit fehlendem Konkurrenzschutz keine unangemessene Benachteiligung darstellt, wenn sie mit keiner hinreichend konkreten Sortimentsbindung verbunden ist. Eine solche hat der Bundesgerichtshof für die vereinbarte Nutzung „zur ausschließlichen Nutzung als: T.-Discount einschließlich der dazugehörenden Rand- und Nebensortimente“ verneint. So verhalte es sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofs im zu entscheidenden Fall. Die vereinbarte Nutzung als „Einzelhandelsgeschäft für den Verkauf von Fan-, Lizenz- und Geschenkartikel und Accessoires“ eröffnet ein breites Sortiment an z.B. (bedruckten) Kleidungsstücken, Haushaltswaren, Schmuck und Kleinigkeiten, kunstgewerblichen Gegenständen, Artikeln zur Wohnungsgestaltung, Scherzartikeln und Souvenirs sowie etwa Handtaschen, Halstüchern und Gürteln, aus dem der Mieter sein Angebot zusammenstellen und damit einer sich bietenden Konkurrenzsituation ausweichen kann. Auch wenn sich aus der Bezeichnung auf eine vage abgrenzbare Sortimentsbeschränkung schließen ließe, so hätte diese Beschränkung eine diffuse und umfänglich kaum begrenzbare Reichweite. Im Umfang einer derart äußerst vage getroffenen Zweck- und Sortimentsbestimmung sei es dem Vermieter nicht zumutbar, dem Mieter Sortiments- und Konkurrenzschutz zu gewähren, und benachteiligen die Klauseln den Mieter nicht unangemessen. Ein – als Kehrseite der Sortimentsbindung vereinbarter – Sortiments- und Konkurrenzschutz würde folglich für den Vermieter ein Risiko bergen, das die Vermietbarkeit der übrigen Ladengeschäfte im Einkaufszentrum nachhaltig beeinträchtigen würde. Im Ergebnis sei deshalb für den vorliegenden Fall die Kombination der Betriebspflicht mit der nur vage abgrenzbaren Sortimentsbindung und dem Ausschluss jedes Sortiments- und Konkurrenzschutzes unter dem Aspekt des § 307 Abs.1 S. 1 BGB nicht zu beanstanden.

Die Entscheidung wirft viele neue Fragen auf. Der Bundesgerichtshof nennt nämlich keine Kriterien, wann eine hinreichend konkrete Sortimentsbindung bzw. enge Sortimentsbindung (beide Formulierungen werden vom Bundesgerichtshof verwendet) vorliegt. Rechtssicherheit für die Praxis ist deshalb nicht gewonnen.