Project Description
Bundesgerichtshof, Urteile vom 09.02.2024 – V ZR 244/22 und V ZR 33/23 – „Neues zu baulichen Veränderungen“
Der Bundesgerichtshof hat in zwei Entscheidungen strittige Fragen rund um bauliche Veränderungen nach der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes zum 01.12.2020 geklärt.
Im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof V ZR 244/22 waren die Kläger Mitglieder einer beklagten Gemeinschaft. Die Wohnanlage besteht aus zwei vor über 100 Jahren im Jugendstil errichteten Wohnhäusern und steht unter Denkmalschutz. Das Vorderhaus erhielt im Jahr 1983 den Fassadenpreis der Stadt München. Die Wohneinheiten der Kläger befinden sich im 3. und 4. Obergeschoss des Hinterhauses (einem ehemaligen Gesindehaus), bei dem die Fassade und das enge Treppenhaus im Vergleich zum Vorderhaus eher schlicht gehalten sind. Ein Personenaufzug ist nur für das Vorderhaus vorhanden. In der Eigentümerversammlung vom 26.07.2021 wurde ein Antrag der körperlich nicht behinderten Kläger abgelehnt, ihnen auf eigene Kosten die Errichtung eines Außenaufzugs am Treppenhaus des Hinterhauses zu gestatten. Die Kläger verlangen im Wege der Beschlussersetzungsklage, dass ihnen die Errichtung des Personenaufzugs dem Grunde nach gestattet wird. Während das Amtsgericht noch die Klage abgewiesen hat, hat das Landgericht den Beschluss dahingehend ersetzt, dass am Hinterhaus ein Personenaufzug errichtet werden darf. Der Bundesgerichtshof folgt dieser Auffassung und weist die Revision der Wohnungseigentümergemeinschaft zurück.
Denn die Kläger haben einen Anspruch gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG, einen solchen Personenaufzug zu errichten. Diese Vorschrift besagt, dass jeder Wohnungseigentümer eine angemessene bauliche Veränderung verlangen kann, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderung dient. Das trifft hier zu. Die Angemessenheit wäre nur dann zu verneinen, wenn mit der Maßnahme Nachteile verbunden sind, die über die Folgen hinausgehen, die typischerweise mit der Durchführung einer solchen privilegierten baulichen Veränderung einhergehen. Ein Eingriff in die Bausubstanz, übliche Nutzungseinschränkungen und optische Veränderungen können eine solche Unangemessenheit regelmäßig nicht begründen. Auch sind die Kosten grundsätzlich ohne Bedeutung, da diese gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 WEG von dem verlangenden Wohnungseigentümern getragen werden.
Auch werden die Grenzen aus § 20 Abs. 4 WEG beachtet. Dort ist geregelt, dass bauliche Veränderungen nicht verlangt werden können, wenn die Wohnanlage grundlegend umgestaltet wird oder ein Eigentümer gegenüber einem anderen unbillig benachteiligt wird. Beides verneint der Bundesgerichtshof. Nach dem jetzt geltenden Recht jedenfalls zur Verwirklichung des Zweckes des § 20 Abs. 2 WEG die dort privilegierten Maßnahmen zu gestatten (nämlich auch solche, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen dienen). Demnach ist bei solchen privilegierten baulichen Veränderungen in der Regel keine grundlegende Umgestaltung gegeben. Außergewöhnliche Umstände wurden nicht vorgetragen.
Auch eine unbillige Benachteiligung verneint der Bundesgerichtshof. Etwaige Verschattungen und Lärmbeeinträchtigungen etwa durch den konkreten Standort der Aufzugsanlage, die Größe sowie bauliche Gestaltung sind noch bis zu einem gewissen Grad bei der Entscheidung über die Art und Weise der Durchführung steuerbar (§ 20 Abs. 2 S. 2 WEG). Vorliegend ging es zunächst nur um die Gestattung dem Grunde nach.
In dem vor dem Bundesgerichtshof unter dem Az. V ZR 33/23 entschiedenen Fall wurde dagegen in einer anderen WEG am 14.10.2021 beschlossen, dass einem Wohnungseigentümer als privilegierte Maßnahme nach § 20 Abs. 2 WEG gestattet wird, auf der Rückseite des Gebäudes eine Rampe als barrierefreier Zugang sowie eine etwa 65 cm aufzuschüttende Terrasse zu errichten sowie daneben das Doppelfenster im Wohnzimmer durch eine verschließbare Tür zu ersetzen. Mit diesem Beschluss waren die Kläger nicht einverstanden und erhoben Anfechtungsklage. In diesem Fall haben Amtsgericht und Landgericht die Beschlüsse für ungültig erklärt. Dem folgt der Bundesgerichtshof nicht und hat die Anfechtungsklage abgewiesen, da er auch diesen Beschluss über die bauliche Veränderung für ordnungsgemäß erachtet.
Anders als im Fall unter dem Az. V ZR 244/22 brauchen die Anspruchsvoraussetzungen der privilegierten Maßnahme nach § 20 Abs. 2 WEG im Einzelnen nicht vorzuliegen, insbesondere ob die bauliche Veränderung angemessen ist. Diese Voraussetzungen müssen nur dann gegeben sein, wenn ein einzelner Eigentümer verlangt, dass die Eigentümer einen entsprechenden Beschluss fassen und die Wohnungseigentumsgemeinschaft im Wege der Beschlussersetzungsklage zwingen will, dass eine solche Beschlussfassung erfolgt.
Vorliegend hat sich dagegen nur ein einzelner Eigentümer gegen den Beschluss der Mehrheit der Eigentümer gewendet. In diesem Fall gelten andere Regelungen. Denn die Mehrheit der Wohnungseigentümer kann bereits nach § 20 Abs. 1 WEG bauliche Veränderungen mit einfacher Stimmenmehrheit beschließen und muss dabei lediglich die Grenzen des § 20 Abs. 4 WEG beachten, die bei jeder (auch nicht privilegierten) baulichen Veränderung gelten. Demnach hat das Landgericht bereits zu Unrecht auf § 20 Abs. 2 WEG abgestellt.
Die Grenzen von § 20 Abs. 4 WEG waren nach Ansicht des BGH eingehalten. Eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage wurde zumindest typischerweise nicht angenommen. Besondere Umstände wurden nicht vorgetragen.
Bei der Prüfung von Beschlüssen über bauliche Veränderungen ist demnach von Bedeutung, ob ein einzelner Eigentümer die Mehrheit der Eigentümer zur Beschlussfassung zwingen will, oder ob sich ein einzelner Eigentümer gegen den Mehrheitsbeschluss wendet, in welchem eine bauliche Veränderung gestattet worden ist.