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EuGH, Große Kammer, Urteile vom 06.11.2018 – C-619/16, C-684/16, C-569/16, C-570/16 – “Neues vom EuGH: Änderungen im Urlaubsrecht


Der Europäische Gerichtshof hat in 3 Urteilen, die allesamt Ausgangsverfahren aus Deutschland betrafen, weitere, durchaus nachhaltige Änderungen im deutschen Urlaubsrecht entschieden:

1. Urlaub verfällt nicht einfach so

In einem Verfahren eines 2010 aus dem Vorbereitungsdienst ausgeschiedenen Rechtsreferendars gegen das Land Berlin hat der Europäische Gerichtshof folgenden Fall zu entscheiden gehabt:

Der Rechtsreferendar hat sich aus freien Stücken dazu entschieden, die letzten Monate seines Referendariats keinen Urlaub mehr zu nehmen und hat im Nachgang Urlaubsabgeltung verlangt, die ihm nicht bezahlt wurde. Anhand dieses Falls arbeitet der Europäische Gerichtshof die besondere Bedeutung des Urlaubsrechts heraus und erlegt dem Arbeitgeber, der sich auf ein Erlöschen der Urlaubsansprüche bei Zeitablauf oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses berufen will, Folgendes auf:

„… ist der Arbeitgeber in Anbetracht des zwingenden Charakters des Rechts auf bezahlten Jahresurlaubs … verpflichtet, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun und ihm, damit sichergestellt ist, dass der Urlaub ihm noch die Erholung und Entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt am Ende des Bezugs- oder eines zulässigen Übertragungszeitraums oder am Ende des Arbeitsverhältnisses, wenn dies in einen solchen Zeitraum fällt, verfallen wird.

Neben der Aufforderung, den Urlaub zu nehmen, wird natürlich auch gefordert, dass der Urlaub dann auch tatsächlich gewährt wird, wenn er beantragt wird.

2. Urlaub verfällt nicht einfach so (II)

In einem weiteren Verfahren, diesmal ging es um einen Mitarbeiter der Max-Planck-Gesellschaft, verhielt sich die Situation so, dass der Arbeitgeber mit Schreiben vom 23.10.2013 (das Arbeitsverhältnis endete zum 31.12.2013) den Mitarbeiter bat, seinen Urlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses zu nehmen, ohne ihn jedoch zu verpflichten, ihn zu einem von ihm festgelegten Termin zu nehmen. Der Arbeitnehmer nahm daraufhin 2 Tage Urlaub, er machte im Nachgang die Abgeltung von 51 Urlaubstagen geltend.

Auch in diesem Verfahren vertritt der Europäische Gerichtshof die Auffassung, dass der Urlaub nicht einfach so verfallen dürfe und die Bitte, den Urlaub zu nehmen, wohl nicht ausreiche, gibt dem deutschen Gericht aber die Aufgabe zurück zu prüfen, ob eine ausreichend transparente und klare Aufforderung vorlag, den Urlaub zu nehmen und dem Arbeitnehmer bewusst sein musste, dass er ihn verliert, wenn er ihn nicht nimmt, sodass er also aus freien Stücken verzichtet hat.

3. Die Vererblichkeit des Urlaubsanspruchs

In einem dritten Verfahren hat der Europäische Gerichtshof zu zwei Klagen von Witwen, deren Männer während Bestehens eines Arbeitsverhältnisses verstorben sind und im Zeitpunkt des Todes noch Urlaubsansprüche hatte, entschieden. Das Bundesarbeitsgericht hatte argumentiert, dass nach deutschem Recht die Urlaubsansprüche nicht vererbt werden könnten. Der Europäische Gerichtshof hat festgestellt, dass eine solche deutsche Regelung zwingend dem Europäischen Recht widerspricht und deswegen unangewendet bleiben muss, sodass vor dem Tod eines Mitarbeiters entstandene Urlaubsansprüche in die Erbmasse fallen und von den Erben zur Abgeltung verlangt werden können. Der Europäische Gerichtshof urteilt:

“… Nach alledem ist … zu antworten, dass eine nationale Regelung, wie die in den Ausgangsverfahren fragliche nicht im Einklang mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31 Abs. 2 der Charta ausgelegt werden kann, dass mit einem Rechtsstreit zwischen dem Rechtsnachfolger eines verstorbenen Arbeitnehmers und dessen ehemaligen Arbeitgeber befasste nationale Gericht die nationale Regelung unangewendet zu lassen und dafür Sorge zu tragen hat, dass der Rechtsnachfolger von dem Arbeitgeber eine finanzielle Vergütung für den von dem Arbeitnehmer gemäß diesen Bestimmungen erworbenen und vor seinem Tod nicht mehr genommenen bezahlten Jahresurlaub erhält.

Diese Entscheidung gilt sowohl für staatliche wie private Arbeitgeber.