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BGH, Urteil vom 14.06.2019 – V ZR 524/17 – “Muss die WEG bei irrtümlichem Fenstertausch zahlen?“


Der Kläger ist Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft, welche aus 212 Wohnungen besteht. Da die Wohnungseigentümer irrtümlich davon ausgingen, dass jeder Wohnungseigentümer die notwendige Erneuerung der Fenster seiner Wohnung auf eigene Kosten vorzunehmen hat, tauschte der Kläger 2005 seine einfachverglasten Holzfenster aus dem Jahr 1972 durch Kunststofffenster mit Dreifachisolierglas. Er verlangt von der Wohnungseigentümergemeinschaft Wertersatz in Höhe von EUR 5.500,00, da die Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums und damit auch der Fenster Sache der Gemeinschaft sind.

Der Bundesgerichtshof verneint einen solchen Zahlungsanspruch. Er besteht weder aus Auftrag noch aus Bereicherungsrecht. Denn diese allgemeinen Vorschriften können als Anspruchsgrundlage nicht herangezogen werden, nachdem das Wohnungseigentumsgesetz in § 21 Abs. 4 und 5 WEG spezielle und damit vorrangige Regelungen enthält. Demnach haben die Wohnungseigentümer über etwaige Instandsetzungsmaßnahmen zu entscheiden. Diese Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes haben auch dann Vorrang, wenn die Maßnahme zwingend vorgenommen werden musste. Dies ist deshalb der Fall, da auch bei zwingend notwendigen Maßnahmen den Wohnungseigentümern regelmäßig ein Gestaltungsspielraum verbleibt. Die Wohnungseigentümer können entscheiden, ob sie die Maßnahme isoliert oder zusammen mit anderen Arbeiten durchführen und welche Handwerker sie beauftragen. Aus diesem Grund müssen die Wohnungseigentümer auch über eine zwingend gebotene und keinen Aufschub duldende Instandsetzungs- oder Instandhaltungsmaßnahme einen Beschluss fassen. Jedem Wohnungseigentümer ist es zumutbar, dieses Verfahren einzuhalten.

Selbst, wenn ein Wohnungseigentümer eine Maßnahme zur Instandsetzung oder Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums in der irrigen Annahme durchführt, er habe sie als Sondereigentümer auf eigene Kosten vorzunehmen, besteht kein Ersatzanspruch. Denn ein Ausgleich nach den allgemeinen Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag und des Bereicherungsrechtes würde den schutzwürdigen Interessen der anderen Wohnungseigentümer zuwiderlaufen. Denn die übrigen Wohnungseigentümer müssen ihre private Finanzplanung nicht darauf einrichten, dass sie im Nachhinein für bereits abgeschlossene Maßnahmen aus der Vergangenheit, auf die sie keinen Einfluss nehmen konnten (da gerade das oben beschriebene Beschlussverfahren nicht eingehalten wurde), herangezogen werden. Zudem hätten häufig viele Wohnungseigentümer einen Erstattungsanspruch. Damit würde sich ein „Hin- und Her-Ausgleich“ zwischen allen Betroffenen einstellen, der zu einem hohen Ermittlungs- und Berechnungsaufwand führen würde, ohne dass sich zwangsläufig ein als „gerecht“ empfundenes Ergebnis einstellen würde.