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BGH, Beschluss vom 25.01.2017 – XII ZR 69/16 – “Mündliche Änderung einer formularmäßig vereinbarten so genannten doppelten Schriftformklausel“
Mit Beschluss vom 25.01.2017 – XII ZR 69/16 – befasste sich der Bundesgerichtshof mit der Frage, ob die mündliche Änderung eines Gewerbemietvertrages trotz einer formularmäßig vereinbarten so genannten doppelten Schriftformklausel wirksam ist. Unter einer doppelten Schriftformklausel versteht man eine (im entschiedenen Fall formularmäßige) Vereinbarung, dass Änderungen und Ergänzungen des Mietvertrages und auch die Aufhebung dessen Schriftformklausel einer schriftlichen Vereinbarung bedürfen. Im konkreten Fall schlossen der ursprüngliche Vermieter und der Mieter im Mai 2006 einen Mietvertrag über Gewerberäume mit dem Mietzweck „Lagerung und Verkauf von Stoffen und Kurzwaren“. Der Mietvertrag beinhaltete als Allgemeine Geschäftsbedingung eine Schriftformheilungsklausel (mit der sich die Vertragsparteien verpflichteten, eventuelle Schriftformmängel dadurch zu heilen, dass ein schriftlicher Mietvertragsnachtrag geschlossen wird) und eine doppelte Schriftformklausel. Mit Schreiben vom 25.07.2006 bestätigte der ursprüngliche Vermieter dem Mieter, dass ihm auch das „Lagern von handelsüblichen Waren“ gestattet sei. Die Vertragsparteien hatten also ohne Wahrung der gesetzlichen Schriftform den Mietzweck geändert. Im Anschluss kam es durch Veräußerung des vermieteten Grundstücks zu einem Vermieterwechsel kraft Gesetzes. Der neue Vermieter und der Mieter schlossen am 04.11.2014 einen schriftlichen Nachtrag zum Mietvertrag, in dem sie vereinbarten, dass das Mietverhältnis nunmehr auf bestimmte Zeit bis zum 31.12.2016 laufen sollte. Mit Schreiben vom 09.02.2015 erklärte der neue Vermieter die ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Der Bundesgerichtshof entscheidet, dass diese ordentliche Kündigung wegen eines Schriftformmangels wirksam ist und zur Beendigung des Mietverhältnisses zum 31.12.2015 führte.
Wegen der in dem Mietvertragsnachtrag vereinbarten Befristung des Mietverhältnisses zum 31.12.2016 bezog sich das Beurkundungserfordernis des § 550 BGB (wird ein Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit) auf den gesamten Vertragsinhalt. Die ursprünglichen Vertragsparteien hatten den Mietvertrag aber im Juli 2006 in Bezug auf den Vertragszweck geändert, ohne dabei die gesetzliche Schriftform des § 550 BGB einzuhalten, so dass der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen galt. Der Wirksamkeit dieser Vertragsänderung stand die doppelte Schriftformklausel nicht entgegen. Auch war der neue Vermieter durch die Schriftformheilungsklausel nicht gehindert, sich für die vorzeitige Beendigung des Mietvertrags auf die Nichteinhaltung der Schriftform zu berufen. Denn eine solche Klausel bindet jedenfalls nicht den Erwerber. Der ursprüngliche Vermieter und der Mieter hatten den vertraglich vereinbarten Nutzungszweck geändert und dabei weder der vertraglichen noch der gesetzlichen Schriftform der §§ 126, 127 BGB genügt. Auch löste die Vereinbarung der festen Laufzeit in dem Mietvertragsnachtrag das Schriftformerfordernis des § 550 BGB aus, da die Erweiterung des Nutzungszwecks vertragswesentlich und daher beurkundungsbedürftig im Sinne des § 550 BGB war (so etwa Ghassemi-Tabar, Gewerberaummiete, § 550 BGB Rn. 43). Wegen des Schriftformverstoßes bestand daher ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, das ordentlich kündbar war.
Der Mieter machte auch ohne Erfolg geltend, der Vermieter sei mit Blick auf die Schriftformheilungsklausel nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB an der Berufung auf den Schriftformverstoß gehindert. Mit dem von § 550 BGB angestrebten Erwerberschutz ist es nicht vereinbar, den Erwerber aufgrund einer Heilungsklausel als verpflichtet anzusehen, von einer ordentlichen Kündigung Abstand zu nehmen (BGH NJW 2014, 1087 Rn. 27 und BGH NJW 2014, 2102 Rn. 28 ff.). Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, dass der Vermieter als Erwerber nicht in die langfristige und das Schriftformerfordernis des § 550 BGB begründende Bindung eingetreten, sondern diese durch Vereinbarung der Befristung selbst erst eingegangen ist. Denn wenn man in einem solchen Fall die Pflicht zur Nachbeurkundung für eine vor dem Erwerb erfolgte schriftformwidrige Vereinbarung forderte, würde dies den sich langfristig bindenden Erwerber unabhängig davon, ob er selbst Kenntnis hatte, im Ergebnis dauerhaft an den Abreden der früheren Vertragsparteien festhalten. Dies will § 550 BGB jedoch gerade verhindern.
Ohne Erfolg berief sich der Mieter ferner darauf, die den Nutzungszweck erweiternde, nicht in schriftlicher Form erfolgte Vertragsänderung sei wegen der so genannten doppelten Schriftformklausel unwirksam, so dass es am Schriftformverstoß im Sinne des § 550 BGB fehle. Freilich wird die Rechtsfrage unterschiedlich beantwortet, ob eine doppelte Schriftformklausel im Falle ihrer formularmäßigen Vereinbarung eine mündliche oder auch konkludente Änderung der Vertragsabreden ausschließen kann. Eine Auffassung bejaht dies unter Hinweis auf die Interessenlage von Vertragsparteien in der Gewerberaummiete und darauf, dass sonst die Vereinbarung einer Einhaltung der Schriftform für Vertragsänderungen ihren Sinn verlöre (KG Grundeigentum 2014, 799, 800; OLG Frankfurt ZfIR 2013, 584, 585; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, Rn. 157 f.). Demgegenüber wird überwiegend die Meinung vertreten, dass eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte doppelte Schriftformklausel wegen Verstoßes gegen § 307 BGB (Unwirksamkeit einer Vertragsklausel wegen unangemessener Benachteiligung) unwirksam sei, weil sie den wegen § 305 b BGB (Vorrang der Individualabrede) unzutreffenden Eindruck erwecke, eine Änderungsvereinbarung sei nur schriftlich möglich (OLG München, Urteil vom 07.04.2016 – 23 U 3162/15 – juris Rn. 41; OLG Rostock NZM 2009, 705; OLG Brandenburg Grundeigentum 2012, 1375, 1376; Palandt, BGB, § 305 b Rn. 5). Der Bundesgerichtshof lässt die Frage der Wirksamkeit einer doppelten Schriftformklausel in einem Gewerberaummietvertrag dahinstehen. Denn die Klausel bleibt jedenfalls wegen des Vorrangs der Individualvereinbarung nach § 305 b BGB wirkungslos (so auch OLG Hamm, Urteil vom 21.04.2016 – 18 U 17/14 – juris Rn. 76 ff. und OLG Düsseldorf ZMR 2007, 35). Für eine in einem Formularvertrag enthaltene einfache Schriftformklausel hat der Bundesgerichtshof dies bereits entschieden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Parteien eine Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen beabsichtigt haben oder sich der Kollision mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch nur bewusst geworden sind. Unerheblich ist auch, ob die Individualvereinbarung ausdrücklich oder stillschweigend getroffen worden ist. Denn Vorrang gegenüber Allgemeinen Geschäftsbedingungen haben individuelle Vertragsabreden ohne Rücksicht auf die Form, in der sie getroffen worden sind, und somit auch, wenn sie auf mündlichen Erklärungen beruhen. Das gilt selbst dann, wenn durch eine AGB-Schriftformklausel bestimmt wird, dass mündliche Abreden unwirksam sind (BGHZ 164, 133). Zwischen einfacher und doppelter Schriftformklausel sind insoweit keine maßgeblichen Unterschiede erkennbar. Der Vorrang der Individualvereinbarung muss bei beiden auch dann gewahrt bleiben, wenn man ein Interesse des Verwenders anerkennt, einem langfristigen Mietvertrag nicht durch nachträgliche mündliche Abreden die Schriftform zu nehmen, und deshalb eine solche Klausel ausnahmsweise als wirksam ansieht. Das gebieten Sinn und Zweck des § 305 b BGB, wonach vertragliche Vereinbarungen, die Parteien für den Einzelfall getroffen haben, nicht durch davon abweichende Allgemeine Geschäftsbedingungen durchkreuzt, ausgehöhlt oder ganz oder teilweise zunichte gemacht werden können. Die Vorschrift beruht auf der Überlegung, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen als generelle Richtlinien für eine Vielzahl von Verträgen abstrakt vorformuliert und daher von vornherein auf Ergänzung durch die individuelle Einigung der Parteien ausgelegt sind. Sie können und sollen nur insoweit Geltung beanspruchen, als die von den Parteien getroffene Individualabrede dafür Raum lässt. Vereinbaren die Parteien – wenn auch nur mündlich – etwas anderes, so kommt dem der Vorrang zu (BGHZ 164, 133). Das Interesse des Klauselverwenders oder gar beider Vertragsparteien, nicht durch nachträgliche mündliche Absprachen die langfristige beiderseitige Bindung zu gefährden, muss gegenüber dem von den Parteien später übereinstimmend Gewollten zurücktreten. Es kommt – anders als bei einer individuell vereinbarten doppelten Schriftformklausel – auch nicht darauf an, ob die Parteien bei ihrer mündlichen Absprache an die entgegenstehende Klausel gedacht haben und sich bewusst über sie hinwegsetzen wollten (BGHZ 164, 133). Lediglich ergänzend weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass eine doppelte Schriftformklausel die Wahrung der Schriftform des § 550 BGB ohnedies nicht stets gewährleisten könnte. Zum einen kann eine Änderungsvereinbarung nach § 127 BGB der vertraglichen Form – und damit gegebenenfalls dem doppelten Schriftformerfordernis – genügen, ohne jedoch der von § 550 BGB geforderten strengeren gesetzlichen Schriftform zu entsprechen. Zum anderen kann ein Schriftformverstoß im Sinne des § 550 BGB trotz Wahrung der gesetzlichen Schriftform etwa darin begründet sein, dass mangels ausreichender Bezugnahme der Vertrag insgesamt nicht den Anforderungen des § 550 BGB gerecht wird. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass Klauselverwender hier der ursprüngliche Vermieter war. Zum einen wirkt § 305 b BGB nicht nur zu Ungunsten des Verwenders (BGHZ 129, 90; Ghassemi-Tabar, Gewerberaummiete, § 305 b BGB Rn. 3 m.w.N.). Zum anderen gebietet der Schutzzweck des § 550 BGB, dass der neue Vermieter als Erwerber nicht sowohl an die nicht schriftlich geschlossene Individualabrede als auch an die vereinbarte Laufzeit gebunden ist.
Somit ist aufgrund des Schriftformverstoßes das Mietverhältnis ordentlich kündbar gewesen. Durchaus interessant sind auch die Ausführungen des Bundesgerichtshofs zur ordentlichen Kündigungsfrist. Durch die Kündigung vom 09.02.2015 wurde das Mietverhältnis mit Ablauf des 31.12.2015 beendet. Dem Grundsatz nach wäre die gesetzliche Kündigungsfrist des § 580 a Abs. 2 BGB einschlägig (bei einem Mietverhältnis über Geschäftsräume ist die ordentliche Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres zulässig, hier also zum 30.09.2015). § 550 S. 2 BGB bestimmt jedoch, dass die Kündigung frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung der Räume zulässig ist. Das Schriftformerfordernis ist hier erst mit Vereinbarung des Nachtrags vom 04.11.2014 entstanden, der erstmalig zu einer Laufzeit von mehr als einem Jahr geführt hat. Damit ist dieser Zeitpunkt als der der Überlassung im Sinne des § 550 S. 2 BGB anzusehen (BGH NZM 2000, 545, 546), so dass die Kündigung gemäß § 580 a Abs. 2 BGB erst mit Ablauf des letzten Kalendervierteljahres 2015 wirksam werden konnte (BGH NJW 2016, 311 Rn. 35).