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Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.11.2021 – VIII ZR 258/19 – “Minderung bei Lärm- und Schmutzimmissionen?“


Lärm und Schmutz aus einer benachbarten Baustelle sind oft Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen zwischen Mieter und Vermieter. Der Bundesgerichtshof hat nunmehr für das Wohnraummietrecht entschieden, dass nach Abschluss eines Mietvertrages eintretende erhöhte Lärm- und Schmutzimmissionen bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarungen grundsätzlich keinen Mangel der Mietwohnung darstellen und damit nicht zur Mietminderung berechtigen, auch wenn sie von einer auf einem Nachbargrundstück eines Dritten betriebenen Baustelle herrühren. Voraussetzung ist, dass auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsansprüche nach § 906 BGB hinnehmen muss.

Die klagenden Mieter einer in Berlin belegenen Wohnung meinten, die Miete um 30 % mindern zu können. Sie vertraten die Ansicht, dass durch den Baulärm der auf der gegenüberliegenden Straßenseite belegenen Baustelle (dort wurden 4 Wohngebäude mit 6-8 Vollgeschossen samt Unterkellerung und einer Tiefgarage erstellt) das Mietobjekt mangelhaft ist. Sie haben daher die Feststellung beantragt, dass die Miete bis zur Beendigung der Außenarbeiten gemindert ist.

Der Bundesgerichtshof entscheidet, dass aufgrund der Feststellungen der Vorinstanzen ein Mangel nicht bejaht werden kann. Insbesondere verneint der Bundesgerichtshof eine stillschweigend getroffene Beschaffenheitsvereinbarung dahingehend, dass die Wohnung frei von Baulärm sein muss. Denn selbst eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus. Dazu reicht es aber nicht aus, dass der Mieter bei Vertragsschluss einen von außen auf die Sache nicht einwirkenden Umstand – wie vorliegend die Abwesenheit von Baulärm – in einer für ihn vorteilhaften Weise wahrnimmt und sich entscheidet, die Wohnung anzumieten. Für die Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung wäre vielmehr erforderlich, dass der Vermieter erkennen musste, dass der Mieter die Fortdauer der Abwesenheit von Baulärm über eine unbestimmte Dauer des Mietverhältnisses hinweg als maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung ansieht und der Vermieter dem zustimmt. Einseitige Vorstellungen des Mieters genügen selbst dann nicht, wenn sie dem Vermieter bekannt sind. Vielmehr muss der Vermieter darauf in irgend- einer Form zustimmend reagieren. Daran hat es im vorliegenden Fall gefehlt.

Der Bundesgerichtshof hält weiter auch an seiner Rechtsprechung fest, dass dem Vermieter nicht einseitig das Risiko einer geräusch- und schmutzintensiven Nutzungsänderung auf einem Nachbargrundstück zugewiesen werden kann. Es kommt vielmehr darauf an, welche Regelung die Mietvertragsparteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner getroffen hätten, wenn sie bei Vertragsschluss die von ihnen nicht bedachten Baulärmentwicklungen gekannt hätten. Danach begründen nachträglich erhöhte Geräusch- und Schmutzimmissionen durch Dritte jedenfalls dann grundsätzlich keinen zur Mietminderung führenden Mangel einer Mietwohnung, wenn auch der Vermieter sie ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeiten als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss.

Da das Berufungsgericht keine Feststellungen zu den Beeinträchtigungen getroffen hat und auch in der Berufungsinstanz offen blieb, ob die Einwirkungen unwesentlich oder ortsüblich sind und daher der Vermieter keine eigenen Abwehr- und Entschädigungsmöglichkeiten hat, musste das Urteil des Berufungsgerichtes aufgehoben und an dieses zurückverwiesen werden.

Will der Mieter rechtssicher bei störenden Baumaßnahmen auf einem Nachbargrundstück mindern dürfen, wird er eine Beschaffenheitsvereinbarung mit dem Vermieter mit dem Inhalt abzuschließen haben, dass die Wohnung über die Mietdauer frei von Baulärm sein muss. Ob der Vermieter eine solche Vereinbarung akzeptiert, ist Verhandlungssache.