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Landgericht Zweibrücken, Kammer für Handelssachen, Urteil vom 11.09.2020 – HK O 17/20 – “Mietzahlungspflicht während des Lockdowns?


Welche rechtlichen Auswirkungen ein Lockdown auf die Mietzahlungspflicht eines Mieters hat, werden wir erst wissen, wenn der Bundesgerichtshof entschieden hat. Das kann bekanntlich noch länger dauern, da der Instanzenweg durchlaufen werden muss. Gegenwärtig liegen erst einige erstinstanzliche Urteile vor. Über Berufungen entscheidet das jeweilige Oberlandesgericht. Erst dann kommt der Rechtsstreit nach einer Revision zum Bundesgerichtshof. Bis ein Verfahren demnach zum Bundesgerichtshof gelangt, wird die Bundeskanzlerin nicht mehr Merkel heißen und die Pandemie wird hoffentlich auch schon längst vorbei sein.

Das Landgericht Zweibrücken hat jetzt mit einem Urteil vom 11.09.2020 – HK O 17/20 – entschieden, dass der Mieter eines Gewerberaums (eines Einzelhandelsgeschäfts für den Verkauf von Textilien und Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs) auch während eines Lockdowns die Miete in voller Höhe zahlen muss.

Systematisch richtig untersucht das Gericht zunächst, ob der Mietvertrag Anknüpfungstatsachen enthält, die im Wege der Auslegung entnehmen lassen können, welche Auswirkungen die Covid-19-Pandemie auf die Mietzahlungsverpflichtung des Mieters haben kann. Da keine Umsatzmiete vereinbart war, sah das Gericht derartige Anhaltspunkte nicht. Das Landgericht Zweibrücken prüft sodann, ob der Lockdown ein Mangel der Mietsache ist, der zur Minderung der Miete berechtigt. Das wird mit der Begründung verneint, dass nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse nur dann einen Sachmangel darstellen, wenn sie unmittelbar auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und ihre Ursache nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters haben (BGH, Urteil vom 13.07.2011 – XII ZR 189/09). Ist eine Mietsache als solche weiter zur Nutzung grundsätzlich geeignet und nur der geschäftliche Erfolg des Mieters betroffen, realisiere sich das vom Mieter zu tragende Verwendungsrisiko und nicht das Gebrauchsüberlassungsrisiko, welches vom Vermieter zu tragen wäre (BGH, Urteil vom 16.02.2000 – XII ZR 279/97). Da die behördliche Anordnung zur Schließung in keinem Zusammenhang mit der Beschaffenheit der Mieträume stehe liege kein Mangel vor.

Das Gericht verneint auch eine Herabsetzung oder einen Ausschluss der Mietzahlungsverpflichtung wegen Unmöglichkeit. Wird eine Leistung für einen Schuldner unmöglich, braucht der Schuldner seine Leistung nicht zu erbringen und sein Anspruch auf die Gegenleistung entfällt. Da aber der Mietgegenstand als solcher zur vertragsgemäß vereinbarten Nutzung weiterhin geeignet sei verneint das Gericht einen Fall der Unmöglichkeit. Die behördlichen Beschränkungen ließen die Gebrauchsüberlassungsverpflichtung unberührt und richteten sich ausschließlich gegen die Nutzung und damit beträfen sie das Verwendungsrisiko des Mieters.

Des Weiteren verneint das Gericht einen Entfall oder eine Reduzierung der Mietzahlungsverpflichtung unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB. Haben sich Umstände, die zur Grundlage eines Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt abgeschlossen, wenn sie die Veränderungen vorausgesehen hätten, kann gemäß § 313 Abs. 1 BGB eine Anpassung des Vertrages verlangt werden, soweit einem Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten an dem unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Unter Berücksichtigung von eher rechtlich nicht relevanten Billigkeitserwägungen (es gäbe staatliche Hilfen für Mieter wie beispielsweise Kurzarbeitergeld; die Umsatzsteuer sei gesenkt worden; der Mieter hätte durch Abschluss einer privaten Betriebsausfallversicherung das Risiko minimieren können; der Unternehmer solle Kompensationsmaßnahmen wie Onlineshop, Gutscheinmodelle, Rabattaktionen u. a. kreieren) kommt das Landgericht Zweibrücken zur nicht überzeugend begründeten Meinung, ein Mieter könne nicht bereits ab dem ersten oder zweiten Monat eines Lockdowns eine Anpassung der Miete verlangen. Vielmehr müsse der Mieter kurzfristig auf andere Weise reagieren. Erst wenn das Festhalten an dem Vertrag zu wirklich untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führen würde, könne auch eine Anpassung des Vertrages erforderlich werden. Zu berücksichtigen sei auch, dass den Mieter grundsätzlich das Risiko trifft, mit dem Mietobjekt Gewinne zu erzielen. Die behördlichen Beschränkungen und die damit verbundenen Einkommenseinbußen hätten sich auf einen begrenzten Zeitraum bezogen, der die Zumutbarkeitsgrenze noch nicht überschritten habe. Dies gelte insbesondere deshalb, weil die Existenz des Mieters nicht ernsthaft gefährdet gewesen wäre. Andernfalls hätte der Mieter in seiner Betriebsorganisation wohl auch grundlegende Fehler begangen. Zumindest diese Ausführungen hätte sich das Landgericht Zweibrücken besser erspart.