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BGH, Urteil vom 25.11.2020 – XII ZR 40/19 – “Mietminderung bei Flächenabweichung“


Mit Urteil vom 25.11.2020 – XII ZR 40/19 – befasste sich der Bundesgerichtshof erneut mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Miete bei einer Flächenabweichung gemindert werden kann.

Der Mieter mietete im Juni 2015 vom Vermieter Räumlichkeiten zum Betrieb einer Ballettschule. Das Mietobjekt ist in § 1 des Mietvertrags (Mieträume) beschrieben, der auf einen als Anlage 1 bezeichneten Grundriss Bezug nimmt, in dem die vermieteten Flächen gekennzeichnet sind. Die Gesamtfläche des Mietobjekts beträgt danach ca. 300 m². Mit Schreiben vom 19.08.2016 teilte der Vermieter dem Mieter mit, dass nach durchgeführten Umbauarbeiten nicht die in der Anlage 1 zum Mietvertrag ausgewiesene Fläche, sondern eine um ca. 10 m² kleinere Fläche übergeben worden sei. Der Vermieter bat den Mieter daher um Unterzeichnung eines entsprechenden Nachtrags, dem als Anlage 1 ein aktueller Grundrissplan beigefügt war. Diesen Nachtrag unterzeichnete der Mieter nicht. Er erhebt Klage und begehrt die Feststellung, dass der Mieter berechtigt ist, die monatliche Bruttomiete um 10 % zu mindern.

Der Bundesgerichtshof entscheidet wie die Vorinstanzen, dass die Klage unbegründet ist. Nach § 536 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB ist der Mieter bei Vorliegen eines Mangels der Mietsache, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert, von der Entrichtung der Miete befreit bzw. nur zur Entrichtung einer angemessenen herabgesetzten Miete verpflichtet. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt dabei außer Betracht (§ 536 Abs. 1 S. 3 BGB). Ein Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 Abs. 1 S. 1 BGB ist die für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache von dem vertraglich Vereinbarten. Welchen Sollzustand die vermietete Sache spätestens bei Überlassung an den Mieter aufweisen muss, bestimmen grundsätzlich die Vertragsparteien durch die Festlegung des dem Mieter jeweils geschuldeten vertragsgemäßen Gebrauchs.

Der Mietgegenstand ist wegen der Flächenabweichung mit einem Sachmangel im Sinne von § 536 Abs. 1 S. 1 BGB behaftet. Auch der Bundesgerichtshof hat in der Vergangenheit bei der Miete von Räumen die Unterschreitung der vertraglich vereinbarten durch die dem Mieter vom Vermieter tatsächlich überlassene Fläche stets als Sachmangel im Sinne von § 536 Abs. 1 S. 1 BGB behandelt (beispielsweise BGH NJW 2018, 2317 Rn. 16). Diese Rechtsprechung bezieht sich nicht nur auf Fälle, in denen die Mietflächenabweichung auf einer falschen Berechnung der Fläche einer ansonsten vertragsgemäß und vollständig übergebenen Mietsache beruhte, sondern auch auf Sachverhalte, in denen die Unterschreitung der vertraglich vereinbarten Mietfläche durch Umbauarbeiten verursacht wurde, die nach Abschluss des Mietvertrags durchgeführt wurden (BGH NJW 2005, 2152). Somit lag im zu entscheidenden Fall aufgrund der Flächenabweichung ein Sachmangel vor. Durch die Bezeichnung des Mietobjekts in § 1 des Mietvertrags und dem als Anlage 1 beigefügten Grundrissplan haben die Vertragsparteien eine verbindliche Beschaffenheitsvereinbarung bezüglich Größe, Raumgestaltung und Zustand getroffen und damit die geschuldete Leistung festgelegt. Die in dem Grundrissplan enthaltenen Flächenangaben dienten nicht lediglich der Beschreibung des Mietobjekts, sondern wurden auch vertraglich vereinbart. Tatsächlich weist jedoch die Nutzfläche entgegen der vertraglich vereinbarten Größe eine um ca. 10 m² kleinere Fläche auf, weshalb das Mietobjekt nicht der vertraglich vereinbarten Sollbeschaffenheit entspricht. Dass die vereinbarten Nutzflächen in dem Grundrissplan nur mit einem Circa-Maß angegeben sind, steht der Annahme eines Sachmangels nicht entgegen (BGH NJW 2012, 3173 Rn. 16).

Allerdings ist der Mieter dennoch nicht zur Minderung der Miete berechtigt, weil er nicht ausreichend dargelegt hat, durch die geringfügige Flächenabweichung in dem vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache beeinträchtigt zu sein. Trotz des Vorliegens eines Sachmangels erfolgt eine Minderung der Miete nur dann, wenn die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt wird (§ 536 Abs. 1 S. 2 BGB) und diese Gebrauchsbeeinträchtigung gemäß § 536 Abs. 1 S. 3 BGB nicht nur unerheblich ist (BGH NJW 2013, 44 Rn. 41). Die Minderung ist Ausdruck des das Schuldrecht prägenden Äquivalenzprinzips. Durch sie soll die von den Vertragsparteien festgelegte Gleichwertigkeit zwischen den beiderseitigen Leistungen bei einer Störung auf der Vermieterseite wiederhergestellt werden. Für eine reduzierte Nutzungsmöglichkeit soll der Mieter auch nur eine reduzierte Miete leisten müssen. Daher scheidet eine Herabsetzung der Miete während der Zeit, in der der Mieter die Mietsache trotz Vorliegens eines Mangels uneingeschränkt vertragsgemäß nutzen kann, aus. Deshalb hat der Mieter neben dem Vorliegen eines konkreten Sachmangels darzulegen, dass die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt ist. Das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung braucht er hingegen nicht vorzutragen (BGH NJW-RR 2016, 1291 Rn. 5). Für das Vorliegen von Umständen, die eine Beeinträchtigung des Mietgebrauchs als unerheblich erscheinen lassen, trägt der Vermieter die Darlegungs- und Beweislast (BGH NJW 2009, 664 Rn. 20).

Für den Anspruch des Mieters auf Minderung wegen einer tatsächlich geringeren Fläche als der vertraglich vereinbarten hat der Bundesgerichtshof allerdings entschieden, dass ein abweichendes Flächenmaß die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch bereits dann erheblich mindert, wenn die tatsächliche Fläche um mehr als 10 % hinter der vertraglich vereinbarten Größe zurückbleibt. Einer zusätzlichen Darlegung des Mieters, dass infolge der Flächendifferenz die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch gemindert ist, bedarf es dann nicht. Diese im Interesse der Praktikabilität und Rechtssicherheit gezogene Grenze von 10 % ist auch dann zugrundezulegen, wenn die Mietfläche im Mietvertrag nur mit „ca.“ angegeben ist. Dieser Rechtsprechung zur Wohnraummiete hat sich der für die Gewerberaummiete zuständige XII. Senat des Bundesgerichtshofs für Flächenabweichungen in der Gewerberaummiete angeschlossen (BGH NJW 2012, 3173 Rn. 14 ff. und BGH NJW 2005, 2152, 2153). Das bedeutet jedoch nicht, dass bei einer Flächenunterschreitung von weniger als 10 % eine Mietminderung grundsätzlich ausgeschlossen ist. Diese Rechtsprechung hat nur zur Folge, dass bei Flächenabweichungen, die diese Grenze von 10 % überschreiten, der Mieter nicht gesondert darlegen muss, die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch sei infolge der Flächenabweichungen gemindert. Bleibt die Flächenabweichung – wie im vorliegenden Fall – hinter dieser Grenze zurück, kann sich der Mieter dagegen nicht auf diese tatsächliche Vermutung einer Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache berufen. Er muss dann im jeweiligen Einzelfall konkret darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass durch die Flächenabweichung der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache beeinträchtigt ist (OLG Dresden NJW-RR 2019, 1294, 1296; OLG Düsseldorf GE 2012, 616, 617; Kammergericht NJW-RR 2005, 1681). Gemessen hieran ist im vorliegenden Fall eine Minderung der Miete abzulehnen, weil der Mieter seiner Darlegungslast nicht in ausreichendem Maß nachgekommen ist. Insbesondere war der Vortrag des Mieters nicht ausreichend, er habe auf den fehlenden 10 m² im betroffenen Übungsraum vier zusätzliche Schüler unterrichten und damit weitere Einnahmen generieren können. Denn mit diesem Vorbringen stellte der Mieter nur die abstrakte Behauptung auf, durch die Flächenabweichung seien ihm mögliche Einnahmen verloren gegangen. Inwieweit der Mieter jedoch durch die geringere Nutzfläche konkret im Gebrauch des Übungsraums beeinträchtigt wird, ergibt sich daraus nicht. Somit hat der Mieter nicht im ausreichenden Maße dargelegt, dass er durch die geringe Flächenabweichungen überhaupt in dem vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache beeinträchtigt ist. Er war demnach nicht zur Minderung der Miete berechtigt.