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Landgericht München II, Urteil vom 28.01.2021 – 1 O 2773/20 – “Landgericht München II zum Corona-Virus


Das Landgericht München II hat sich mit Urteil vom 28.01.2021 – 1 O 2773/20 mit einer weiteren Sachverhaltsvariation zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie befasst. Mietsache sind Gewerberäume, die laut Mietvertrag vermietet wurden zum Betrieb eines Backwarengeschäfts mit Backofen verbunden mit einem Kaffeeausschank. Corona bedingt musste das in den Mieträumen betriebene Café geschlossen werden, das Backwarengeschäft blieb geöffnet. Obgleich ab 25.05.2020 auch das Café – wenn auch in reduziertem Umfang – wieder betrieben werden konnte, zahlte die Mieterin auch die Miete für Juni 2020 nicht. Die Mieterin trägt vor, der Schwerpunkt ihres Geschäfts liege im Gastronomiebetrieb. Der Umsatz sei in der Phase des Lockdowns vom 18.03.2020 bis zum 26.04.2020 teilweise über 80 % eingebrochen. Auch nach der Lockerungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie habe man nicht mehr an die Umsätze vor der Pandemie anschließen können.

Das Landgericht München II ist der Auffassung, dass die Mieterin die streitgegenständlichen Mieten in voller Höhe zahlen müsse. Das Landgericht München II referiert, dass die Rechtsprechung überwiegend davon ausgehe, dass Betriebsschließungen aufgrund behördlicher Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie keinen Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB darstellen. Allein das Landgericht München I bejahe in seinem Urteil vom 20.09.2020 – 3 O 4495/20 – einen Mietmangel und vertritt eine Mindermeinung, die nicht unumstritten ist. Vorliegend scheide jedoch eine Mietminderung schon deshalb aus, weil der Betrieb eines Backwarengeschäfts, zu dem die Mietsache vereinbarungsgemäß überlassen wurde, nicht von einer behördlichen Betriebsuntersagung betroffen war. Im Mietvertrag wurde eindeutig geregelt, dass die Mieträume zum Betrieb eines Backwarengeschäftes mit Backofen, verbunden mit einem Kaffeeausschank vermietet werden. Zwar wird in den Mieträumen auch ein „Café“ betrieben, das ändere jedoch nichts daran, dass die zwischen den Parteien mietvertraglich vereinbarte Nutzung eine andere ist. Es wurde nicht vereinbart, dass die Mietsache zum Zwecke eines Gastronomiebetriebes überlassen wurde. Nun war aber der im Mietvertrag genannte Vertragszweck, nämlich der Betrieb eines Backwarengeschäfts mit Kaffeeausschank während der streitgegenständlichen Zeit nicht eingeschränkt, sodass ein Mietmangel schon aus diesem Grunde ausscheidet. Darüber hinaus kommt nach Auffassung des Landgerichts München II auch kein Recht auf Reduzierung der Miete nach § 313 Abs. 1 BGB unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht. Der Anwendungsbereich des § 313 Abs. 1 BGB kann grundsätzlich eröffnet sein, wenn Gewerberäume aufgrund behördlicher Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu Betriebseinschränkungen führen. Die Frage, ob eine Vertragsanpassung aufgrund der Störung der Geschäftsgrundlage auch dann verlangt werden kann, wenn Kunden aus Angst vor Ansteckung fernbleiben oder sie nur noch eingeschränkt in die Öffentlichkeit oder in ein Geschäft dürfen, und es dadurch zu (existenzbedrohenden) Umsatzeinbußen des Betriebs des Mieters kommt (sogenannte mittelbare Betroffenheit), wird kontrovers diskutiert (dagegen BeckOGK/Martens, 01.01.2021, BGB § 313 Rn. 227; Streyl, NZM 2020, 817, 824; dafür Häublein/Müller, NZM 2020, 481). Das Landgericht München II meint, die Vermutung des Artikels 240 § 7 EGBGB („Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, das sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.“) auf Fälle der mittelbaren Betroffenheit nicht anwendbar ist. Erforderlich sei eine Einschränkung des Betriebs durch hoheitliches Handeln. Diese Voraussetzung sei aber vorliegend nicht gegeben. Folglich seien die Grundsätze des § 313 Abs. 1 BGB über die Störung der Geschäftsgrundlage nicht anwendbar. Der Mieter sei von den Folgen der Pandemie nur mittelbar betroffen worden. Einschränkungen, die den Besuch eines Backwarengeschäfts durch die Bevölkerung regelten, bestanden nicht. Die von der Mieterin vorgetragenen Folgen der Pandemie begründen kein Recht auf Vertragsanpassung, da sie auf einem freiwilligen Entschluss der potentiellen Kunden beruhen.

Darüber hinaus vertritt das Landgericht München II die diskussionswürdige Auffassung, im Falle einer Untervermietung sei es ohnehin sehr fraglich, ob es rechtlich möglich sei, den Ausfall der Untermiete an den Vermieter weiterzugeben. Es sei zweifelhaft, ob diese Sachverhalte als Störung der Geschäftsgrundlage qualifiziert werden können, da der Vermieter nur eingeschränkten Einfluss auf die Auswahl des Untermieters habe.