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OLG Köln, Urteil vom 15.07.2020 – 11 U 64/19 – “Kündigung als ernsthafte Erfüllungsverweigerung?“


Das Oberlandesgericht Köln hatte einen Fall zu entscheiden, in dem Folgendes geschehen war:

Der Generalunternehmer hat gegenüber dem Auftraggeber die Kündigung des Bauvertrages erklärt, nachdem der für den Rohbau vorgesehene Unternehmer in Insolvenz gefallen ist. Im Kündigungsschreiben und der danach folgenden Korrespondenz hat der Generalunternehmer aber angeboten, entweder die geplante Ausführung zu einem anderen Preis umzusetzen oder eine technisch andere Lösung (Teilunterkellerung statt Stelzenlösung) auszuführen, zum selben Preis. Darüber haben die Parteien auch verhandelt, aber keine Einigung gefunden. Die Auftraggeber haben daraufhin selbst gekündigt, einen Drittunternehmer mit der Ausführung des Bauvorhabens beauftragt und verlangen nun Mehrkosten von über EUR 100.000,00 vom Generalunternehmer. Dieser verteidigt sich unter anderem damit, dass die Auftraggeber keine Nachfrist zur Erfüllung des Vertrages gesetzt haben und hat damit Erfolg.

Das Oberlandesgericht führt aus, dass eine Kündigung des Werkvertrages (in diesem Fall die Auftragnehmerkündigung), ohne dass ein Grund die Kündigung rechtfertigen könnte, durchaus als ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung in Betracht komme, dies im vorliegenden Fall aber deswegen nicht gegeben ist, da der Unternehmer bereits im Kündigungsschreiben selbst eine Alternative angeboten hatte und man auch im Nachgang über verschiedene Lösungsmöglichkeiten gesprochen hat. Eine der Lösungsmöglichkeiten (Teilunterkellerung statt Stelzenlösung) sei außerdem von den Bauherren dann tatsächlich mit einem anderen Unternehmer ausgeführt worden, was ja den Schluss nahe legt, dass die angebotene Alternativlösung den Auftraggebern auch durchaus zumutbar war. Nachdem das Oberlandesgericht keine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung des Unternehmers angenommen hat, mussten die Bauherren, um die Mehrkosten für die Errichtung des Bauvorhabens vom Unternehmer verlangen zu können, eine Nachfrist gesetzt haben. Das haben sie unterlassen und deswegen keinen Anspruch auf Schadensersatz.

Festzuhalten bleibt, dass dem Unternehmer kein Kündigungsrecht beim Bauvertrag zusteht, es sei denn er hatte einen wichtigen Grund. Ein solcher wichtiger Grund liegt nicht in der Insolvenz eines für das Bauvorhaben ausgesuchten Nachunternehmers, da die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Vertragserfüllungsfähigkeit der Nachunternehmer ausschließlich im Risikobereich des Generalunternehmers und nicht des Bauherrn liegt. Insofern war die Kündigung des Generalunternehmers hoch riskant. Im vorliegenden Fall hat er das Glück gehabt, dass das Gericht die in der Kündigung angebotene Alternative und die nachherigen Verhandlungen darüber so behandelt hat, dass die durch die Kündigung erzeugte Verweigerungswirkung abgeschwächt/aufgehoben wurde und eine Nachfristsetzung durch den Auftraggeber nicht als entbehrlich angesehen wurde.

Für Auftraggeber, die in einer solchen Situation kündigen wollen, empfiehlt es sich deswegen immer über eine Fristsetzung für Klarheit zu sorgen, ob Erfüllungsbereitschaft besteht oder nicht.