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OLG Celle, Beschluss vom 20.09.2021 – 2 U 71/21 – “Konkurrenzschutz in einem Einkaufszentrum“


Mit Beschluss vom 20.09.2021 – 2 U 71/21 – befasste sich das Oberlandesgericht Celle mit dem sogenannten vertragsimmanenten Konkurrenzschutz in einem Einkaufszentrum. Der vertragsimmanente Konkurrenzschutz bedeutet, dass ein Vermieter auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung verpflichtet ist, einem Mieter spürbare Konkurrenz fernzuhalten. Darüber hinaus behandelte das Oberlandesgericht die Frage, ob ein Mieter aufgrund hoheitlich angeordneter Zwangsschließung während eines Lockdowns berechtigt ist, einen langjährigen Mietvertrag fristlos zu kündigen.

Der Mieter betreibt ein Bekleidungsgeschäft in einem Einkaufszentrum auf drei Ebenen mit insgesamt 35 Geschäften. Im Mietvertrag ist formularmäßig geregelt, dass den Mieter eine Betriebspflicht kombiniert mit einer Sortimentsbindung trifft, wobei Konkurrenz- und Sortimentsschutz ausgeschlossen wird. In dem Einkaufszentrum befinden sich zwei weitere Bekleidungsgeschäfte, die dem Mieter Konkurrenz machen. Deshalb erklärt der Mieter die fristlose Kündigung des Mietvertrages. Das Oberlandesgericht entscheidet jedoch, dass die fristlose Kündigung unwirksam ist. Zwar ist die im Mietvertrag enthaltene Klausel über einen formularmäßigen Ausschluss des Konkurrenzschutzes in einem Einkaufszentrum bei gleichzeitiger Festlegung einer Betriebspflicht mit Sortimentsbindung wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam (BGH, Urteil vom 26.02.2020), wenn sie mit einer hinreichend konkreten Sortimentsbindung verbunden ist (anders, wenn der Vertrag keine strenge Sortimentsbindung enthält, so BGH, Urteil 06.10.2021, XII ZR 11/20), dies führt aber nicht zwingend dazu, dass die Pflicht zur Gewährung eines vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes verletzt ist, wenn im Einkaufszentrum auch Flächen an weitere Bekleidungsgeschäfte vermietet werden. Soweit es den Konkurrenzschutz von Mietern in einem Einkaufszentrum betrifft, ist mit Rücksicht auf die grundsätzlich belebende Wirkung von Konkurrenz von vornherein Zurückhaltung bei der Gewährung von Konkurrenzschutz geboten. Zwar ist richtig, dass der BGH in seiner Entscheidung vom 26.02.2020 (Az. XII ZR 51/19) klargestellt hat, dass auch in einem Einkaufszentrum ein vertragsimmanenter Konkurrenzschutz besteht und der Konkurrenzschutz verletzt sein kann, wenn in unmittelbarer Nachbarschaft zum Betrieb des Mieters noch andere Mieter mit exakt oder ganz überwiegend gleichem Sortiment aufgenommen worden sind und in unmittelbarer Konkurrenz zu dem Mieter stehen. Er hat aber auch zugleich betont, dass sich der Umfang des vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes nach der jeweils berechtigten Verkehrserwartung richtet. So dürfe in einem kleinen Einkaufszentrum mit nur wenigen Ladenlokalen davon ausgegangen werden, dass der Vermieter für ein möglichst breit gefächertes Angebot sorgt und Sortimentsüberschneidungen vermeidet. Umgekehrt müsse der Mieter einer Ladenfläche in einem großen Einkaufszentrum hinnehmen, dass es zu typischen Sortimentsüberschneidungen mit anderen Gewerbetreibenden komme, zumal die Attraktivität eines großen Einkaufszentrums gerade auch mit der Repräsentanz konkurrierender Angebote steige. Gemessen an diesen Grundsätzen kam das Oberlandesgericht Celle zur Auffassung, dass der Mieter nicht zur fristlosen Kündigung des Mietvertrags wegen der Verletzung eines bestehenden Konkurrenzschutzes berechtigt war. Mit 35 Geschäften auf drei Ebenen gehöre das streitgegenständliche Einkaufszentrum zu den größeren Einkaufszentren. Das Betriebskonzept eines derartigen Einkaufszentrums gehe dahin, eine möglichst breite Palette unterschiedlicher Anbieter auch auf demselben Marktsegment anzubieten. Der Mieter in einem solchen Einkaufszentrum muss es grundsätzlich hinnehmen, dass es zu typischen Sortimentsüberschneidungen mit anderen Gewerbetreibenden kommt. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass es gerade bei Bekleidungs- und Modegeschäfte deutliche Unterschiede hinsichtlich der angebotenen Waren gibt, weil sich diese sehr oft nach Hersteller, Design, Ausstattung, Passform und der Qualität unterscheiden. Jedes Bekleidungsgeschäft (einer bestimmten Kette) erhält dadurch sein typisches Gepräge, welches unterschiedliche Kundengruppen anspricht. Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass die in dem streitgegenständlichen Einkaufszentrum angesiedelten Bekleidungsläden vom Preis und auch Geschmack her die gleiche Zielgruppe ansprechen, wäre ein Verstoß des Vermieters gegen den zu gewährenden Konkurrenzschutz zu verneinen. Zum typischen Erscheinungsbild größerer Einkaufszentren gehöre es nämlich, dass dort mehrere Bekleidungsläden um die gleiche Kundengruppe werben.

Da es somit an einer schuldhaften Vertragsverletzung des Vermieters wegen der Zulassung von Konkurrenzbetrieben fehlt war der Mieter nicht zur fristlosen Kündigung berechtigt.

Der Mieter hatte seine außerordentliche fristlose Kündigung auch erfolglos damit zu begründen versucht, dass er sein Geschäft aufgrund hoheitlicher Anordnung während eines Lockdowns schließen musste. Das Oberlandesgericht Celle entscheidet, dass die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie keinen Anspruch auf Entlassung aus dem Mietvertrag begründen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen kommt allenfalls ein Anspruch auf Vertragsanpassung (Reduzierung der Miete) in Betracht.