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OLG Dresden, Urteil vom 15.08.2018 – 5 U 539/18 – “Kombination von Verlängerungsklausel und Verlängerungsoption


Wer Mietverträge ohne anwaltliche Hilfe konzipiert spart zwar bei Vertragsabschluss zunächst Geld, muss aber häufig ein Vielfaches des Ersparten zahlen, wenn es erwartungsgemäß zu Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung eines Mietvertrags kommt, weil dieser handwerklich nicht gut gefertigt ist. Einen derartigen Fall hatte das Oberlandesgericht Dresden mit Urteil vom 15.08.2018 – 5 U 539/18 – zu entscheiden.

Die Parteien streiten über die Beendigung eines Mietverhältnisses über eine Werbefläche. Im Mietvertrag ist zur Vertragsdauer geregelt:

  1. Das Mietverhältnis beginnt am 01.01.2008 und endet am 31.12.2017.
  2. Das Mietverhältnis verlängert sich automatisch um weitere 10 Jahre, wenn es nicht innerhalb einer Frist von 3 Monaten vor Ablauf des Mietvertrags, d. h. bis zum 31.08.2017 gekündigt wird.
  3. Dem Mieter wird die Option eingeräumt auf eine Verlängerung des Mietvertrages um weitere 10 Jahre.

Der Vermieter kündigt das Mietverhältnis mit Schreiben vom 18.07.2014 ordentlich zum 31.12.2017 und fordert den Mieter auf, bis zum 31.12.2017 die Werbetafel zu entfernen. Der Mieter erklärte mit Schreiben vom 11.05.2017, er übe sein Optionsrecht auf Verlängerung des Mietvertrages um weitere 10 Jahre aus. Der Vermieter klagt auf Räumung. Das Landgericht Chemnitz verurteilt den Mieter antragsgemäß. Das Landgericht meint, der Vermieter habe wirksam gekündigt. Dem Mieter stehe das im Mietvertrag geregelte Optionsrecht nicht zu, weil es das Kündigungsrecht des Vermieters aushebeln würde. Die dagegen gerichtete Berufung hat Erfolg. Das Oberlandesgericht Dresden weist die Klage ab. Das Oberlandesgericht führt aus, der Vermieter habe keinen Anspruch gegen den Mieter auf Entfernung der Werbetafel aus § 546 Abs. 1 BGB, weil der zwischen den Parteien bestehende Mietvertrag durch die Ausübung des Optionsrechts mit Schreiben des Mieters vom 11.05.2017 über den 31.12.2017 hinaus um weitere 10 Jahre bis zum 31.12.2027 verlängert wurde.

Auszulegen war der in der Tat handwerklich schlecht gemachte Mietvertrag. Auszugehen ist von den allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätzen, dass in erster Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen ist (BGH, Urteil vom 15.01.2013, NJW 2013, 1519). Gleichzeitig gilt zwar auch, dass ein übereinstimmender Parteiwille dem Wortlaut und jeder anderen Interpretation vorgeht, selbst wenn er im Inhalt der Erklärung keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (BGH, Beschluss vom 11.11.2014, NJW 2015, 409). Soweit sich eine Partei allerdings auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände beruft, trifft sie unter dem Gesichtspunkt der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde die Beweislast (BGH, Beschluss vom 11.11.2014, NJW 2015, 409). Der danach zunächst zu berücksichtigende Wortlaut spricht für die Eigenständigkeit der Regelung in Ziff. 2 des Mietvertrags einerseits und in Ziff. 3 des Mietvertrags andererseits. Nach dem Wortlaut ist die Ausübung des Kündigungsrechts nach Ziff. 2 für beide Vertragsparteien genauso wenig von einer Ausübung oder Nichtausübung der Option nach Ziff. 3 des Mietvertrags abhängig wie umgekehrt. Für die Eigenständigkeit der beiden Rechte spricht auch die separate Regelung im Mietvertrag in jeweils selbstständigen Absätzen (BGH NZM 2006, 137 Tz. 15). Zudem sind sie in ihrer Ausgestaltung insoweit unterschiedlich, als die Option als Gestaltungsrecht ein aktives Tun zur Vertragsverlängerung erfordert, während bei der Verlängerungsklausel das Unterbleiben einer Willenserklärung die (automatische) Verlängerung herbeiführt. Die Kombination der eigenständigen Regelung einer Verlängerungsklausel und eines Optionsrechtes ist zudem in Gewerberaummietverträgen auch zulässig und üblich (BGH NJW 1992, 2281; Ghassemi-Tabar, Gewerberaummiete, vor § 535 BGB Rn. 553). Dem Wortlaut der Ziff. 3 des Mietvertrags kann nicht entnommen werden, dass das Optionsrecht für den Mieter davon abhängig ist, dass sich das Mietverhältnis zuvor schon nach Ziff. 2 um 10 Jahre ab dem 31.12.2017 verlängert hatte. Erfolglos argumentierte der Vermieter, aus der Formulierung in Ziff. 3 des Mietvertrags, dass es um eine Verlängerung um „weitere 10 Jahre“ gehe, lasse sich entnehmen, dass das Optionsrecht nur für den Fall vereinbart worden sei, dass es zuvor zu einer stillschweigenden automatischen Verlängerung nach Ziff. 2 kam. Nach Meinung des Oberlandesgerichts lässt sich aus dem Wortlaut des Vertrags nicht entnehmen, dass sich das Wort „weitere“ auf Ziff. 2 des Mietvertrags bezieht. Ebenso kann sich die Formulierung auf Ziff. 1 beziehen, in welchem die vertragliche Festlaufzeit geregelt wird. Ein solches Verständnis entspricht auch einer vernünftigen Systematisierung des Kündigungsrechts, denn es ist zunächst in Ziff. 1 die vertragliche Festlaufzeit geregelt, während dann in den Ziffern 2 und 3 verschiedene Varianten folgen, die zu einer Verlängerung des Mietverhältnisses über den schon geregelten festen Zeitraum hinaus führen können.

Entgegen der Annahme des Landgerichts Chemnitz wird nach Meinung des Oberlandesgerichts Dresden durch die Möglichkeit der Optionsausübung in diesem Falle nicht das Kündigungsrecht des Vermieters ausgehebelt, sondern es verhält sich umgekehrt. Würde man der Auffassung des Landgerichts folgen, dann hätte es der Vermieter in der Hand, über den Widerspruch gegen die Verlängerung des Mietverhältnisses nach Ziff. 2 das dem Mieter eingeräumte Optionsrecht zu verhindern. Es ist aber das Wesen eines Optionsrechts, dass damit einem Vertragspartner die Rechtsmacht eingeräumt wird, durch einseitige Erklärung – auch gegen den Willen des Vertragspartners – eine Verlängerung des Vertrages herbeizuführen. Wenn die Vertragsparteien also einer Vertragspartei, wie hier dem Mieter, ein Optionsrecht einräumen, so muss dieser auch die Möglichkeit haben, dieses nach dem eigenen Willen zur Verlängerung des Mietvertrags einzusetzen. Das Optionsrecht gewinnt erst dann seine eigentliche Bedeutung für den Mieter, wenn er das Auslaufen des Mietvertrags vermeiden kann, indem er fristgerecht optiert. Genau diese Möglichkeit hätte der Mieter aber nicht, wenn der bloße Widerspruch gegen die Vertragsverlängerung nach Ziff. 2 des Mietvertrags von Seiten des Vermieters genügte, um das Optionsrecht – einseitig – auszuschalten.

Das Oberlandesgericht führt weiter aus, dass der Mieter das Optionsrecht mit Schreiben vom 11.05.2017 auch fristgerecht ausübte. Die vertragliche Regelung enthält für das Optionsrecht keine Frist, sodass es grundsätzlich bis zum Ende der Vertragslaufzeit ausgeübt werden kann (BGH NJW 1982, 2770; OLG Celle ZMR 2014, 782), was der Mieter getan hat. Bei der Auslegung eines Mietvertrags in der hier vorliegenden Konstellation einer festen Vertragslaufzeit mit einer zeitlich befristeten Verlängerungsoption muss allerdings hinsichtlich des Zeitpunktes der Optionsausübung durch den Mieter auch das schützenswerte Interesse des Vermieters berücksichtigt werden, rechtzeitig vor dem Ablauf des Mietvertrags zu wissen, ob er sich auf eine Fortsetzung des Vertrages mit dem Mieter einstellen muss. Die Option muss deshalb regelmäßig bis zum Ende der Kündigungsfrist erklärt werden, weil beide Vertragspartner mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Gewissheit darüber haben sollen, ob das Mietverhältnis mit Ablauf der Festmietzeit endet oder fortgesetzt wird (BGH NJW 1985, 2581). Auch die bis zum 31.08.2017 laufende Kündigungsfrist aus Ziff. 2 des Mietvertrags hat der Mieter aber mit dem Schreiben zur Ausübung des Optionsrechts vom 05.05.2017 gewahrt.