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OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.07.2025 – 10 U 78/25 – „Keine Verlängerung der Mietzeit wegen Corona“


Mit Beschluss vom 31.07.2025 – 10 U 78/25 – befasste sich das Oberlandesgericht Düsseldorf mit der Frage, ob ein gewerblicher Mieter, dessen Betrieb wegen hoheitlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid 19-Pandemie beschränkt war, wegen Störung der Geschäftsgrundlage verlangen kann, dass der mit einer festen Laufzeit abgeschlossene Mietvertrag dahingehend angepasst wird, dass die Laufzeit des Vertrags verlängert wird. Im konkreten Fall hat das Oberlandesgericht Düsseldorf einen derartigen Anspruch abgelehnt.

Zwischen Vermieter und Mieter bestand ein befristeter Mietvertrag. Nach Ablauf der Vertragsdauer räumt der Mieter nicht, der Vermieter klagt auf Räumung und Herausgabe. Der Mieter macht geltend, er habe wegen Störung der Geschäftsgrundlage einen Anspruch auf Vertragsanpassung durch Verlängerung des mit einer festen Laufzeit geschlossenen Mietvertrages um zwei Jahre. Infolge der Covid 19-Pandemie sei es zu einer Störung der Geschäftsgrundlage gekommen, er habe einen kompletten Umsatzeinbruch zu verzeichnen gehabt, was sich aus seiner BWA für die Jahre 2020-2022 ergebe. Ihm sei es durch staatliche Maßnahmen untersagt gewesen, seinen Betrieb zu öffnen und zu führen. Im konkreten Einzelfall hat das Oberlandesgericht einen Anspruch auf Verlängerung des Mietvertrages abgelehnt. Daraus folgt aber nicht absolut zwingend, dass es nicht ausnahmsweise Fallkonstellationen geben könnte, in denen ein derartiger Anspruch in Betracht kommen könnte, auch wenn dies allenfalls sehr selten der Fall sein wird.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes können die pandemiebedingten Beeinträchtigungen für den Betrieb eines gewerblich genutzten Mietobjektes eine Anpassung des Mietvertrags nach § 313 Abs. 1 BGB wegen Störung der Geschäftsgrundlage rechtfertigen (BGH, Urteil vom 12.01.2022 – XII ZR 8/21, NZM 2022, 99; Urteil vom 23.11.2022 – XII ZR 96/21, NZM 2023, 77). Entscheidend für die Frage nach einem Anpassungsanspruch wegen Störung der Geschäftsgrundlage ist regelmäßig, ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Das ist nur dann der Fall, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ein Festhalten, insbesondere unter Berücksichtigung der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, an der vereinbarten Regelung für den von der Störung betroffenen Vertragspartner zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung oder -einschränkung und deren Dauer entstanden sind. Diese werden bei einem gewerblichen Mieter primär in einem konkreten Umsatzrückgang für die fragliche Zeit der Schließung oder Nutzungseinschränkung bestehen. Erforderlich ist ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der hoheitlichen Maßnahme und der negativen wirtschaftlichen Auswirkung für den Betrieb. Ohne Bedeutung sind diejenigen Entwicklungen, die eine anderweitige Ursache haben, wie beispielsweise eine allgemeine Kaufzurückhaltung von Kunden während der Zeit der Pandemie, die gegebenenfalls auch durch die Pflicht zum Tragen einer Maske verursacht worden sein kann. Insofern handelt es sich nämlich um einen Umstand der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung, die zum Verwendungsrisiko des Mieters gehört (BGH, Urteil vom 16.02.2022 – XII ZR 17/21, NJW 2022, 1378). Ebenfalls zu berücksichtigen sind auch finanzielle Vorteile, die dem Mieter entstanden sind, beispielsweise staatliche Hilfen, sofern der Mieter durch sie eine endgültige Kompensation der erlittenen Umsatzeinbußen erlangt (BGH, Urteil vom 12.01.2022 – XII ZR 8/21, NZM 2022, 99). Schließlich sind bei der gebotenen Abwägung auch die Interessen des Vermieters zu berücksichtigen.

Unabhängig davon, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf der zutreffenden Meinung ist, zur Darlegung der pandemiebedingten wirtschaftlichen Nachteile genüge es nicht, lapidar auf die BWA für die Jahre 2020-2022 zu verweisen, führt das Oberlandesgericht aus, dass einer Vertragsanpassung in Form einer Vertragsverlängerung das im Rahmen der Abwägung der wechselseitigen Interessen der Vertragsparteien zu berücksichtigende Interesse des Vermieters entgegenstehe. Eine nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage vorzunehmende Anpassung eines in seiner Geschäftsgrundlage gestörten Vertrags dahin, dass die Vertragslaufzeit verlängert werde, erscheine systemfremd. Zur Wiederherstellung der Vertragsgerechtigkeit komme vorrangig eine Anpassung der wechselseitig geschuldeten Leistungen, nachrangig eine Lösung von dem Vertrag im Betracht. Der Mieter wolle vorliegend indes einseitig und gegen den Willen des Vermieters das Gegenteil erreichen, nämlich die Begründung künftiger, neuer Leistungspflichten, nämlich die Fortsetzung des Vertrages für weitere zwei Jahre. Ferner sei die vom Mieter erstrebte Vertragsverlängerung nicht mehr von der Bandbreite des dem Gericht in § 313 BGB eingeräumten Ermessens bei der Bestimmung des Inhalts der Vertragsanpassung gedeckt. So hat das Gericht nach § 313 Abs. 1 BGB diejenige Rechtsfolge zu wählen, die den Parteien unter Berücksichtigung der Risikoverteilung zumutbar ist. Insbesondere darf der Eingriff in den Vertrag nicht weitergehen, als es zu der Befreiung des von der Störung der Geschäftsgrundlage betroffenen Vertragspartners von ihm nicht zugewiesenen Risiken erforderlich ist. Durch die Anpassung muss die Zumutbarkeit wiederhergestellt werden, die Erfüllung der vertraglich übernommenen Risiken wieder zumutbar werden (Münchner Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 313 Rn. 89 ff.). Die vom Mieter gewünschte Vertragsverlängerung indes stehe in seinem einseitigen Interesse an der künftigen Erzielung von Einnahmen aus seinem Betrieb. Der Mieter will auf diese Weise erreichen, die Gewinne, die er während der Pandemiezeit nicht erwirtschaften konnte, nachholen zu können. Dieses Interesse des Mieters unterfällt indes nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf nicht dem Schutzzweck des § 313 BGB, der dahin geht, die Vertragsgerechtigkeit wiederherzustellen. Das Risiko, dass ein gewerblicher Mieter mit dem Mietobjekt innerhalb der Vertragslaufzeit Gewinne erzielt, ist jedoch ein zum normalen Vertragsrisiko gehörendes Risiko, das der Mieter zu tragen hat. Realisiert sich eine Gewinnerwartung nicht, geht das zu Lasten des Mieters (Münchner Kommentar BGB, § 313 Rn. 224). Dieser grundsätzlichen Risikoverteilung liefe es nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zuwider, wenn wegen des allein vom Mieter zu tragenden Verwendungsrisikos eine Vertragsverlängerung nach § 313 BGB für begründet erachtet wird.