Project Description
BGH, Urteil vom 18.07.2025 – V ZR 76/24 – „Keine Vergleichsangebote bei Anwaltsbeauftragung“
Die Verwalterin einer Wohnungseigentümergemeinschaft hat im Frühjahr 2021 drei Sachverständige mit der Begutachtung des Gemeinschaftseigentums beauftragt. Diese stellten Baumängel fest und berechneten für ihre Gutachten insgesamt EUR 49.927,47. Zudem beauftragte die Verwalterin im Rahmen der Wohnungseigentümergemeinschaft eine Rechtsanwaltskanzlei, da Ansprüche gegen den Bauträger im Oktober 2021 zu verjähren drohten. Ein Beschluss der Wohnungseigentümer war den Auftragserteilungen nicht vorausgegangen.
In einer Eigentümerversammlung vom Juli 2021 wurde zu Tagesordnungspunkt 6 unter anderem beschlossen, die Einschaltung und Vergütung der Gutachter sowie die bisherigen Kosten der Rechtsanwaltskanzlei zu genehmigen. Unter einem weiteren Tagesordnungspunkt wurde beschlossen, die Rechtsanwaltskanzlei zu beauftragen gegenüber dem Bauträger (der auch noch Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft war) einen Anspruch auf Kostenvorschuss geltendzumachen und eine Sonderumlage hierfür zu erheben. Unter einem weiteren Tagesordnungspunkt wurde die Verwaltung ermächtigt, mit der Anwaltskanzlei eine Vergütungsvereinbarung abzuschließen, deren Stundensätze von EUR 300,00 netto je Anwaltsstunde und EUR 150,00 netto je Sekretariatsstunde nicht überschreiten dürfen.
Der Bauträger als Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft hat Anfechtungsklage gegen diese Beschlüsse erhoben und scheitert vor dem Bundesgerichtshof. Der Bundesgerichtshof entscheidet zunächst, dass es ordnungsgemäßer Verwaltung nicht widerspricht, wenn eine getrennte Beschlussfassung über die Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei und die Vergütungsvereinbarung erfolgt, wenn beide Beschlüsse in derselben Wohnungseigentümerversammlung erörtert und gefasst werden.
Der Bundesgerichtshof meint des Weiteren, dass vor der Beschlussfassung über die Beauftragung eines Rechtsanwaltes es keiner Einholung von Vergleichsangeboten bedarf. Dies gilt auch dann, wenn eine Honorarvereinbarung abgeschlossen werden soll. Denn der Zweck der Einholung von Alternativangeboten ist es, den Wohnungseigentümern die Stärken und Schwächen der Leistungsangebote aufzuzeigen. Wenn die Angebote das nicht können, kann es nicht ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen, auf ihre Einholung zu verzichten, so der Bundesgerichtshof. Aufgrund einer Vielzahl von Faktoren, die die Vergütung beeinflussen (z.B. über wie viele Instanzen der Prozess geführt wird) kann nicht von vornherein beurteilt werden, ob eine Abrechnung nach Stundensätzen oder nach der gesetzlichen Vergütung günstiger wäre. Auch ist die Höhe des Honorars des Rechtsanwaltes nicht der einzige und auch nicht der wichtigste Gesichtspunkt für die Auswahl des Rechtsanwaltes. Entscheidend ist vielmehr, ob der in Aussicht genommene Rechtsanwalt seiner Aufgabe gerecht wird, so der BGH. Regelmäßig versetzen Konkurrenzangebote mehrerer Rechtsanwälte die Wohnungseigentümer nicht in die Lage, die Qualität der jeweiligen Leistungen der Rechtsanwälte zu vergleichen. Das ist anders als bei handwerklichen Auftragsarbeiten. Denn der Rechtsanwalt schuldet keinen Erfolg, sondern eine ergebnisoffene Dienstleistung.
Auch der Umstand, dass die Rechtsanwaltskosten im Obsiegensfall nur bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren erstattet werden und etwaige Mehrkosten von der Wohnungseigentümergemeinschaft getragen werden müssen, steht dem Abschluss einer Vereinbarung auf Stundenhonorarbasis nicht von vornherein entgegen. Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes mit einer Vergütung in Höhe von EUR 300/Stunde steht in Anbetracht der besonders gelagerten Gesamtumstände innerhalb der Grenzen des den Wohnungseigentümern zustehenden Entscheidungsermessens.
Auch im Rahmen des Entscheidungsspielraums der Wohnungseigentümer steht die Vereinbarung einer besonderen Vergütung der Sekretariatsstunden. Ob die in jedem Fall entstehenden Kosten des Sekretariats in den Stundensatz der Rechtsanwälte eingepreist oder gesondert berechnet werden ist letztlich nur eine Berechnungsmethode. Eine separate Vergütungsvereinbarung über die Leistung der nicht anwaltlichen Mitarbeiter ist möglich, so der BGH.
Auch die zu Tagesordnungspunkt beschlossene Genehmigung der Beauftragung und Vergütung der Gutachter und der Kanzlei war nicht zu beanstanden. Der Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft besitzt zwar im Außenverhältnis gemäß § 9b Abs. 1 WEG eine im Grundsatz unbeschränkte Vertretungsmacht für die Wohnungseigentümergemeinschaft, sodass eine Genehmigung vollmachtloser Vertretung gemäß § 177 Abs. 1 BGB nicht erforderlich ist. Es steht aber im Ermessen der Wohnungseigentümer im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung eine von dem Verwalter ohne Beschluss veranlasste Maßnahme nachträglich zu genehmigen. Durch die Genehmigung wird die interne Willensbildung der Wohnungseigentümer nachgeholt und damit die rechtliche Grundlage für die Maßnahme und auch ihre Finanzierung geschaffen. Eine nachträgliche Genehmigung schafft im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer im Nachhinein eine verlässliche Grundlage für die Maßnahme.
Eine nachträgliche Genehmigung einer ohne Beschlussfassung vom Verwalter veranlassten Maßnahme ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofes jedenfalls dann rechtmäßig, wenn die Maßnahme selbst ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Hätten die Wohnungseigentümer die Maßnahme vor ihrer Durchführung beschließen dürfen, kann es nicht ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen, wenn sie ihre Durchführung nachträglich genehmigen, so der BGH.
Demnach entsprach auch der Tagesordnungspunkt der Genehmigung ordnungsgemäßer Verwaltung. Angesichts der drohenden Verjährung war die Auftragserteilung zur Begutachtung der Mängel und Vorbereitung der Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Klägerin als Bauträgerin angezeigt und sinnvoll. Genauso wie es der Einholung von Alternativangeboten bei der Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei nicht bedarf, mussten auch bei der Beauftragung von Gutachtern solche Alternativangebote nicht vorgelegt werden. Auch insoweit könnten die Alternativangebote nicht den Zweck erfüllen, den Wohnungseigentümern die Stärken und Schwächen der Leistungsangebote aufzuzeigen. Auch sind die Gutachterkosten in Höhe von ca. 10 % der voraussichtlichen Schadenssumme nicht ersichtlich unangemessen.
Der BGH schafft damit für die Praxis Klarheit, was bei der Beauftragung von Rechtsanwälten und Gutachtern gilt.