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Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.06.2018 – XII ZR 79/17 – “Keine Fristsetzung erforderlich bei Schäden an der Sachsubstanz der Mietsache


Mit Urteil vom 27.06.2018 – XII ZR 79/17 – hat der für die Gewerbemiete zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs eine alte Streitfrage entschieden und geklärt, dass Schäden an der Sachsubstanz der Mietsache, die durch eine Verletzung von Obhutspflichten des Mieters entstanden sind, vom Mieter – auch nach Beendigung des Mietverhältnisses – nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB als Schadensersatz neben der Leistung nach Wahl des Vermieters durch Wiederherstellung oder durch Geldersatz zu ersetzen sind, ohne dass es einer vorherigen Fristsetzung des Vermieters bedarf.

Der Vermieter verlangte vom Mieter nach einem beendeten Mietverhältnis Schadensersatz wegen behaupteter Beschädigungen der Mietsache. Der Vermieter vermietete dem Mieter eine Lagerfläche in einer Halle, in der dieser Rennsportfahrzeuge abstellte, wartete und reparierte. Nach Beendigung des Mietverhältnisses erhielt der Vermieter das Mietobjekt zurück. Der Vermieter behauptet, der Mieter habe das Mietobjekt in beschädigtem Zustand zurückgegeben. Der Fußboden der Halle sei durch Abtropfen von Schmierstoffen und Chemikalien sowie durch das Belassen von Sand, Split und Öl verschmiert, kontaminiert und massiv beschädigt gewesen. Zudem hätten sich an der Wand Verschmutzungen von verschmierten Fingern bzw. Händen befunden. Zur Beseitigung dieser Schäden habe der Vermieter EUR 2.902,09 aufwenden müssen. Eine Frist zur Beseitigung der behaupteten Mängel hatte der Vermieter dem Mieter nicht gesetzt.

Die Vorinstanzen hatten die Klage des Vermieters mit der Begründung abgewiesen, der Vermieter habe dem Mieter eine Frist zur Beseitigung der behaupteten Mängel setzen müssen. Da dies unterblieben sei, stünde dem Vermieter kein Schadensersatzanspruch zu. Diese Rechtsauffassung wird vom Bundesgerichtshof nicht geteilt. Im mietrechtlichen Schrifttum und in der Instanzrechtsprechung ist umstritten, ob der Vermieter bei Beschädigungen der Mietsache, die der Mieter durch Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs schuldhaft herbeigeführt hat oder die ihm zugerechnet werden können, nach der Rückgabe der Mietsache Schadensersatz unmittelbar nach § 280 Abs. 1 BGB („Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.“) verlangen kann oder sich der Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB ergibt mit der Folge, dass der Vermieter dem Mieter zunächst eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen muss. Der Bundesgerichtshof entscheidet diese Streitfrage dahingehend, dass Schäden an der Sachsubstanz der Mietsache, die durch eine Verletzung von Obhutspflichten des Mieters entstanden sind, auch nach Beendigung des Mietverhältnisses nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB als Schadensersatz neben der Leistung nach Wahl des Vermieters durch Wiederherstellung (§ 249 Abs. 1 BGB) oder durch Geldzahlung (§ 249 Abs. 2 BGB) vom Mieter zu ersetzen sind, ohne dass es einer vorherigen Fristsetzung des Vermieters bedarf.

Die vom Bundesgerichtshof gelieferte Begründung und Abgrenzung, wann es bei Schäden einer Fristsetzung bedarf und wann nicht, ist dogmatische Hochseilakrobatik. Bei einem Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach §§ 281 Abs. 1 S. 1, 280 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 BGB ist eine Fristsetzung erforderlich, nicht aber bei dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 BGB. Der Bundesgerichtshof führt aus, dass bei der Verletzung einer Leistungspflicht eine Fristsetzung erforderlich ist, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen, während die Verletzung einer in § 241 Abs. 2 BGB („Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.“) geregelten vertraglichen Nebenpflicht zu einem Schadensersatzanspruch führt, ohne dass es einer Fristsetzung bedarf. Der Bundesgerichtshof legt dar, bei der Verpflichtung des Mieters, die ihm überlassenen Mieträume in einem dem vertragsgemäßen Gebrauch nach Maßgabe von § 538 BGB entsprechenden Zustand zu halten, insbesondere die Räume aufgrund der aus der Besitzübertragung folgenden Obhutspflicht schonend und pfleglich zu behandeln sowie alles zu unterlassen, was zu einer von § 538 BGB („Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt werden, hat der Mieter nicht zu vertreten“.) nicht mehr gedeckten Verschlechterung führen kann, handle es sich um eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB, deren Verletzung allein nach den in § 280 Abs. 1 BGB geregelten Voraussetzungen eine Schadensersatzpflicht begründet. Eine Fristsetzung ist also nicht erforderlich. Dies gilt nicht nur für das laufende Mietverhältnis, sondern auch nach dessen Beendigung. Denn der Zustand, in dem sich die Mietsache bei ihrer Rückgabe befindet, ist für die allein in der Rückgabe selbst bestehende Leistungspflicht ohne Bedeutung. § 546 Abs. 1 BGB enthält keine Regelung darüber, in welchem Zustand die Mietsache zurückzugeben ist.

Die auf den Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB uneingeschränkt anwendbare Bestimmung des § 249 BGB räumt dem Geschädigten die Wahlmöglichkeit ein zwischen der in Absatz 1 vorgesehene Naturalrestitution und dem in Absatz 2 S. 1 geregelten Zahlungsanspruch auf den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag. Der Vermieter kann deshalb nach seiner Wahl Naturalrestitution und oder direkt Geldersatz gemäß § 249 BGB verlangen.

Die Vorinstanzen haben die Klage somit unzutreffend mit der fehlerhaften Begründung abgewiesen, es sei eine Fristsetzung erforderlich gewesen. Der Bundesgerichtshof hebt das angefochtene Berufungsurteil deshalb auf und weist die Sache zurück, damit geklärt wird, ob die vom Vermieter geltend gemachten Beschädigungen der Mietsache vorlagen und gegebenenfalls ob der Mieter diese zu vertreten hat.