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Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 01.08.2019 – 4 U 858/18 – “Kein Übergang nach § 566 Abs. 1 BGB der Zahlungspflicht des Vermieters als Gegenleistung für die Abkürzung der Vertragsdauer“


Nach § 566 Abs. 1 BGB gehen Mietverträge über Grundstücke und Räume bei Veräußerung des Mietgrundstücks auf den Erwerber über. In Verpflichtungen, die die Parteien lediglich aus Anlass des Vertragsschlusses oder in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Mietverhältnis begründet haben, tritt der Erwerber jedoch nicht ein. Einen derartigen Fall hatte das Thüringer Oberlandesgericht mit Urteil vom 01.08.2019 (4 U 858/18) zu entscheiden.

Vermieter und Mieter vereinbaren, dass der Vermieter dem Mieter für eine vorzeitige Beendigung ihres Mietverhältnisses eine Abstandszahlung von EUR 95.200,00 leistet. Noch vor Beendigung des Mietvertrages verkauft der Vermieter das Grundstück an einen Erwerber. Das Thüringer Oberlandesgericht entscheidet, dass die Zahlungsverpflichtung des Vermieters nicht nach § 566 Abs. 1 BGB auf den Erwerber übergeht, vielmehr ist der ursprüngliche Vermieter auch dann zur Zahlung verpflichtet, wenn der Eigentumsübergang vor Beendigung des Mietverhältnisses erfolgt. Von § 566 BGB werden nur solche Rechte und Pflichten erfasst, die als mietrechtlich zu qualifizieren sind oder die in untrennbarem Zusammenhang mit dem Mietvertrag stehen. Der Erwerber tritt deshalb nicht in Rechte und Pflichten ein, die außerhalb des Mietverhältnisses liegen, selbst wenn sie als zusätzliche Vereinbarung im Mietvertrag geregelt sind. Für die Frage, welche Rechte und Pflichten § 566 BGB unterfallen, ist auf den materiellen Gehalt der jeweiligen Vertragsbestimmung abzustellen (BGH, Urteil vom 12.10.2016 – XII ZR 9/15, juris Rn. 18 m.w.N.). Bei der Frage, in welchem Umfang ein Rechtserwerb nach § 566 Abs. 1 BGB stattfindet, ist zu berücksichtigen, dass die Norm als Ausnahmeregelung restriktiv auszulegen ist (BGH, a.a.O., juris Rn. 23 ff. m.w.N.). Die Vereinbarung einer Abstandszahlung für die vorzeitige Vertragsauflösung wird nicht von § 566 Abs. 1 BGB erfasst. Es liegt lediglich ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Vereinbarung mit dem Mietverhältnis vor. Die Abstandszahlung bezweckte nämlich gerade nicht den Fortbestand des Mietverhältnisses, sondern sollte dieses ersetzen. Im Ergebnis hat sich der Mieter sein Einverständnis mit einer verkürzten Mietzeit vom Vermieter abkaufen lassen. Die Entschädigung für die Verkürzung der Mietzeit ist für sich allein keine Leistung oder Verpflichtung aus dem auslaufenden Mietverhältnis. Auch für einen untrennbaren Zusammenhang der Abstandszahlung mit dem Mietvertrag bestehen keine Anhaltspunkte. Hierfür genügt es nicht, dass die Parteien zwischen der vorzeitigen Vertragsbeendigung und der Abstandszahlung einen rechtlich untrennbaren Zusammenhang hergestellt haben (BGH, a.a.O., juris Rn. 29).

Das Urteil steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die Vereinbarung einer Entschädigung des Pächters als Gegenleistung für die Abkürzung der Vertragsdauer nicht gegen den Erwerber wirkt (BGH, WM 1961, 1025; ebenso OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.01.2008, I-24 U 75/09, juris Rn. 13 und Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, Rn. 1377). Es spielt auch keine Rolle, ob die Vereinbarung der Mietvertragsparteien über die Zahlung einer Abstandssumme ein Nachtrag des Mietvertrags ist und gegebenenfalls mit dem Hauptmietvertrag eine einheitliche Urkunde bildet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs tritt der Erwerber in außerhalb des Mietverhältnisses liegende Rechte und Pflichten selbst dann nicht ein, wenn sie als zusätzliche Vereinbarung im Mietvertrag selbst geregelt sind. Es kommt somit nicht darauf an, ob die Parteien die Vereinbarung in den Mietvertrag aufgenommen und damit zu dessen Bestandteil gemacht haben. Es kommt weiter auch nicht darauf an, dass der Anspruch des Mieters erst nach der Veräußerung fällig geworden ist. Dies wäre nur dann relevant, wenn die Verpflichtung von § 566 BGB erfasst würde. Für die Beantwortung der Frage, ob der Erwerber nach § 566 BGB in die Verpflichtung des Vermieters eingetreten ist, ist es auch unerheblich, was Vermieter und Erwerber im notariellen Kaufvertrag hinsichtlich der Verpflichtung zur Zahlung der Abstandssumme vereinbart haben. Die Vereinbarung zwischen Vermieter (Veräußerer) und Erwerber lässt das Rechtsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter unberührt.