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BGH, Urteil vom 26.10.2018 – V ZR 143/17 – “Kein Anspruch auf völlige Stille


Von einem Berufsmusiker (Trompeter) wurde von seinem Nachbarn in einem Reihenhaus verlangt, dass er geeignete Maßnahmen zu treffen hat, damit das Spielen von Musikinstrumenten auf dem Anwesen der klagenden Nachbarn nicht wahrgenommen werden kann. Gemäß § 906 Abs. 1 BGB kann der Eigentümer eines Grundstückes von einem anderen Grundstück ausgehende Immissionen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nur unwesentlich beeinträchtigt. Es ist auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen abzustellen und danach, was ihm unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist. Eine mathematisch exakte Grenze kann dabei nicht festgelegt werden. Es kommt auf den Einzelfall an. Eine völlige Stille kann nicht beansprucht werden. Da das Musizieren zu den sozial adäquaten und üblichen Formen der Freizeitbeschäftigung gehört, sind daraus herrührende Geräuscheinwirkungen in gewissen Grenzen zumutbar und damit als unwesentliche Beeinträchtigungen im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB einzuordnen. Das trifft auch auf einen Berufsmusiker zu. Dieser hat nicht mehr und nicht weniger Rechte als ein Hobbymusiker. Ein Ausgleich der widerstreitenden Interessen (einerseits die freie persönliche Entfaltung des Musikers und andererseits die Möglichkeit zur Entspannung und Erholung des Nachbarn) kann im Ergebnis nur durch eine tatrichterlich vorgegebene zeitliche Begrenzung herbeigeführt werden. Auch besteht kein Anspruch des Nachbarn darauf, dass nur in Nebenräumen wie dem Dachgeschoss oder Kellerraum musiziert werden kann. Das Musizieren kann aus zentralen Räumen der Wohnung nicht vollständig ferngehalten werden, so der Bundesgerichtshof. Wenn im angrenzenden Schlafzimmer der klagenden Nachbarn leise Trompetengeräusche zu hören sind, so sind sie nur als störend und damit als wesentliche Beeinträchtigung einzuordnen, wenn dies zu den üblichen Ruhestunden wie der Mittags- und Nachtzeit geschieht. Da noch weitere Feststellungen getroffen werden mussten und nur der Tatrichter abschließend festlegen darf, zu welchen Zeiten musiziert werden darf, musste der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof die Klage gegen die Ehefrau des Berufsmusikers, die Miteigentümerin neben ihrem Ehemann war, abgewiesen. Sie hat nicht musiziert, sodass diese nicht Störerin gewesen ist.