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BGH, Beschluss vom 22.03.2023 – IV ZB 12/22 – „Kein Anfechtungsrecht bei sogenannter lenkender Ausschlagung“
Der Bundesgerichtshof hat sich mit Beschluss vom 22.03.2023 (IV ZB 12/22) mit der Frage befasst, ob eine Anfechtung in Betracht kommt, wenn sich der Ausschlag Ende bei seiner Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht über denjenigen irrt, dem die Erbschaft aufgrund der Ausschlagung zugutekommen soll. Im Streitfall wurde der Erblasser von seiner Frau und seinen Kindern beerbt. Die Kinder haben das Erbe ausgeschlagen, mit dem Ziel, dass die Witwe Alleinerbin wird. Nachdem das Nachlassgericht darauf hingewiesen hatte, dass die Witwe nur Alleinerbin sei, wenn weder Erben der 1. und 2. Ordnung noch Großeltern vorhanden sind, hat einer der Beteiligten die Ausschlagung fristgerecht wegen Irrtums angefochten. Denn es gab tatsächlich Halbgeschwister des Erblassers die aufgrund der Ausschlagung als Miterben in Betracht kamen.
Der Bundesgerichtshof hat die bislang streitige Frage dahingehend entschieden, dass das Fehlschlagen der lenkenden Ausschlagung nicht zu einer Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB berechtigt. Zwar liege ein Irrtum vor, es handle sich dabei aber nur um einen für die Anfechtung unbeachtlichen Motivirrtum. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob es den Abkömmlingen bekannt oder unbekannt war, dass der Erblasser Halbgeschwister hatte. Die Anfechtung lief demnach ins Leere und hatte vorliegend nicht die gewünschte Folge.
Bevor zugunsten einer anderen Person die Ausschlagung einer Erbschaft erklärt wird, ist genauestens zu prüfen, ob damit auch das gewünschte Ergebnis erzielt wird. Denn es ist immer mit dem Auftauchen bislang unbekannter Erben zu rechnen. Statt in einem solchen Fall die Ausschlagung zu erklären kann dasselbe Ergebnis auch durch eine Erbteilübertragung erzielt werden, was aber steuerliche Nachteile mit sich bringen kann. Im Übrigen hätte der Erblasser das Problem auch durch ein entsprechendes Testament, in dem er seine Frau zur Alleinerbin einsetzt, vermeiden können.