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EuGH, Urteil vom 05.05.2022 – C-179/21 – “Herstellergarantie im Online-Versandhandel“


Der EuGH hat mit Urteil vom 05.05.2022 – C-179/21 zumindest teilweise Klarheit über die Frage, ob Online-Händler über Herstellergarantien informieren müssen, geschaffen. Gegenstand des Rechtsstreits über mehrere Instanzen war die Frage, ob die bloße Verlinkung von Herstellerangaben, in denen eine Garantie erwähnt wird auf der Internetseite eines Online-Händlers ausreichend ist oder hierin ein Verstoß gegen die Informationspflichten liegt. Denn der Unternehmer ist bei Fernabsatzverträgen grundsätzlich nach § 312d Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB verpflichtet, gegebenenfalls über das Bestehen und die Bedingungen von Garantien zu informieren.

Das Verfahren war zunächst beim Landgericht Bochum anhängig und dann beim OLG Hamm, bis es schließlich vom BGH ausgesetzt und dem EuGH, der über die Auslegung europäischer Richtlinien zu entscheiden hatte, vorgelegt wurde. Denn die Informationspflicht beruht auf Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44/EG. Der EuGH hat nunmehr entschieden, dass es keine generelle Informationspflicht beim bloßen Bestehen einer Herstellergarantie gibt. Denn eine unbedingte Informationspflicht, die den Verkäufer zwingen würde, die Informationen über Herstellergarantien mit erheblichem Aufwand zu sammeln und zu aktualisieren, obwohl die Herstellergarantie nicht grundsätzlich Gegenstand seines Vertrags mit dem Verbraucher ist, sei unverhältnismäßig. Dementsprechend besteht keine Pflicht für Online-Händler, aktiv zu forschen, ob Herstellergarantien bestehen und diese dann in den Angeboten zu erwähnen.

Weiter hat der EuGH allerdings entschieden, dass eine Informationspflicht dann besteht, wenn der Verbraucher ein berechtigtes Interesse daran hat, Informationen über die Garantie zu erhalten, um seine Entscheidung über den Vertragsschluss treffen zu können. Dies liegt aus Sicht des Gerichts dann vor, wenn der Händler die Herstellergarantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht. In diesem Fall seien die Informationspflichten für den Händler keine unverhältnismäßige Belastung, da er selbst einen Wettbewerbsvorteil durch die Erwähnung der Herstellergarantie ziehen will. Händler, die aktiv mit der Garantie des Herstellers werben, müssen dementsprechend die Informationspflichten erfüllen und dabei insbesondere die Pflichtangaben des neuen § 479 Abs. 1 BGB beachten.

Unklarheiten bleiben aber für Fälle, in denen die Garantie nicht aktiv beworben aber im Angebot erwähnt wird. Denn der EuGH führt in der Entscheidung aus, dass dann, wenn der Händler die Herstellergarantie nur beiläufig oder in belangloser oder vernachlässigbarer Weise erwähnt, wiederum keine Informationspflicht gilt. Die Grenzen zwischen einem beiläufigen Erwähnen der Garantie und einer aktiven Werbung sind fließend, wobei der EuGH dies leider nicht näher definiert und dies vielmehr den nationalen Gerichten überlässt. So bleibt abzuwarten, wie der BGH den Streitfall, in dem die Herstellergarantie im Angebot zwar erwähnt, aber nicht aktiv beworben wird, entscheiden wird.

Zumindest bis zur Entscheidung des BGH über die offene Frage kann Händlern, die die Herstellergarantie in ihren Angeboten erwähnen nur geraten werden, sicherzustellen, dass die erforderlichen Pflichtangaben bereitgehalten werden. Soweit dies nicht möglich ist, z.B. weil keine Kenntnis von den genauen Bedingungen der Garantie des Herstellers vorliegen, sollte davon abgesehen werden, die Garantie im Angebot überhaupt zu erwähnen.