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OLG Celle, Urteil vom 19.05.2021 – 14 U 129/20 – “Haftung beim Unfall mit Kindern


Das Oberlandesgericht Celle hatte in II. Instanz mit Urteil vom 19.05.2021 – 14 U 129/20 (NJW 2021, 2124, ff.) über die Ersatzansprüche einer zum Unfallzeitpunkt elfjährigen Schülerin aufgrund Zusammenstoß mit einem Pkw auf der Fahrbahn, bei Fahrbahnüberquerung, zu entscheiden. In erster Instanz war eine Haftungsquote von 75 % zu 25 % zugunsten der Schülerin zugesprochen worden, auf deren Berufung hin wurde die volle Haftung des Autofahrers bzw. dessen Versicherung festgestellt.

Wesentlicher Teil der Feststellungen, bereits aufgrund der Beweisaufnahme in I. Instanz, war, dass der Autofahrer die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hatte, zumindest 55 km/h gefahren ist und bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit den Unfall hätte räumlich vermeiden können. Weiter war jedoch wesentlicher Teil der rechtlichen Erörterung durch das OLG Celle, aufgrund welcher konkreten Situation die Erkenntnis- und Handlungsmöglichkeit eines an sich schuldfähigen Kindes zu bewerten ist. Bei Kindern bis zehn Jahre kommt eine Mithaftung nicht in Betracht. Von erheblicher Bedeutung war für den vorliegenden Fall, dass die verletzte Schülerin Teil einer Gruppe von insgesamt vier Schülern gewesen ist, welche die Fahrbahn überquert haben, um zur Schule zu gelangen. Im Umkreis von 500 Meter zur Unfallstelle befinden sich nach den Feststellungen im Urteil drei Schulen, zum Unfallzeitpunkt herrschte Dunkelheit, die Fahrbahn war regennass. Jedenfalls ein Teil der kleineren Gruppe war aus größerer Entfernung, zumindest 40 Meter, für den Autofahrer erkennbar, die verletzte Schülerin wurde als letzte der Gruppe, welche die Fahrbahn überquert hat, kurz vor Erreichung der anderen Seite, erfasst.

Einerseits wurde das Verschulden des Autofahrens, aufgrund der überhöhten Geschwindigkeit und der nicht angepassten Reaktion aufgrund der konkreten Umstände (sichtbare Schülergruppe, welche die Fahrbahn überquert hat) bewertet. Zwar wurde berücksichtigt, dass der motorisierte Verkehr auf der Fahrbahn grundsätzlich vor Fußgängern Vorrang hat. Sehr hoch bewertet wurde jedoch, dass die Schülerin Entfernung und Geschwindigkeit des heranfahrenden Fahrzeuges falsch eingeschätzt hat und nach Auffassung des OLG Celle die Gruppendynamik überwog, deshalb wurde kein Mitverschuldenseinwand bzw. kein Verschulden in der konkreten Situation gesehen. Letztlich weist das Urteil darauf hin, dass die jeweils konkrete Situation, hinsichtlich der Berücksichtigung eines etwaigen Mitverschuldens eines Kindes bei Unfall im Straßenverkehr, genau bewertet werden muss.

Zugleich wurde zum Schmerzensgeld darauf hingewiesen, dass bei Verletzung eines Kindes gegenüber Erwachsenen eine Erhöhung angemessen ist, da eine deutlich längere Belastung der weiteren Lebensführung/Lebensgestaltung aufgrund der unfallbedingten Verletzungen zu erdulden ist.