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Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.09.2020 – VIII ZR 35/19 – “Getrennt lebende oder geschiedene Ehegatten gehören „derselben Familie“ an


§ 577a Abs. 1 BGB regelt eine Kündigungsbeschränkung bei Begründung von Wohnungseigentum. Wird nach Überlassung der angemieteten Wohnräume Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert, so kann sich der Erwerber unter anderem auf Eigenbedarf gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB erst nach Ablauf von 3 Jahren nach der Veräußerung berufen. Die gleiche Kündigungsbeschränkung nach § 577a Abs. 1 a BGB gilt entsprechend, wenn eine Veräußerung an eine Personengesellschaft oder an mehrere Erwerber nach Überlassung der Räume an den Mieter erfolgt ist. Dies gilt wiederum nicht, wenn die Gesellschafter oder Erwerber „derselben Familie“ angehören. Der Bundesgerichtshof hatte über eine Revision von Mietern zu entscheiden, die zur Räumung eines Einfamilienhauses verurteilt worden sind. Die Mieter mieteten mit Vertrag vom 01.07.2001 von dem damaligen Eigentümer, nämlich dem Vater des Klägers zu 2, das Einfamilienhaus. Der Vater des Klägers zu 2 veräußerte später das Grundstück an die Kläger (nämlich den Kläger zu 2 und seine Ehefrau – die Klägerin zu 1-, die inzwischen vom Kläger zu 2 geschieden worden ist). Mit Schreiben vom 26.05.2017 erklärten die Kläger gegenüber den Mietern die Kündigung des Mietverhältnisses mit der Begründung, die Klägerin zu 1 wolle in das Haus selbst einziehen und es selbst nutzen. Der Bundesgerichtshof hat das Räumungsurteil der Vorinstanz als rechtmäßig bestätigt. Denn die Kündigungsbeschränkung nach § 577a BGB gilt vorliegend nicht, nachdem Ehegatten auch nach der Scheidung noch „derselben Familie“ (§ 577 Abs. 1a S. 2 BGB) angehören, so der Bundesgerichtshof. Insbesondere kommt es auf eine Differenzierung zwischen bloßer Trennung und der rechtswirksamen Scheidung der Ehe nicht an. Es sind nämlich die Wertungen des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB (Eigenbedarfskündigung) heranzuziehen. Auch dort sind aufgrund der typisierenden persönlichen Nähebeziehung Eigenbedarfspersonen umfasst, die kein konkretes, tatsächliches Näheverhältnis voraussetzen. Es sind diejenigen Personen gemeint, welchen das Prozessrecht ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen gewährt (§ 383 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Hierunter fallen auch Ehegatten, wenn sie getrennt leben oder ein Scheidungsantrag eingereicht oder vollzogen ist.