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Urteil, BGH vom 26.07.2022 – VI ZR 58/21 – “Geringer Blechschaden und (trotzdem) Schmerzensgeld“


Im Falle von Unfallschäden, der Kollision von Kraftfahrzeugen, neigen Versicherer dazu, bei geringen Geschwindigkeiten geltend gemachte Ersatzansprüche wegen einer unfallbedingten Verletzung abzulehnen. In diesem Zusammenhang muss auch ein Urteil des BGH vom 26.07.2022 – VI ZR 58/21 (r+s 2022, 588) gesehen werden. Der Entscheidung lag ein Auffahrunfall im innerstädtischen Bereich, mit geringer Geschwindigkeit zugrunde. Die Klägerin hat eine HWS-Distorsion 2. Grades, Kopf- und Nackenschmerzen sowie Übelkeit mit einer Krankschreibung von ca. einer Woche sowie der Verschreibung von Schmerzmitteln geltend gemacht und ein Schmerzensgeld von EUR 750,00 gefordert. In I. Instanz und durch das Berufungsgericht wurde die Klage abgewiesen. Auf die Revision hin wurde das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

Es wurde zunächst durch den Bundesgerichtshof ausgeführt, dass ein Handeln des Schädigers ohne festgestellte Rechtsgutsverletzung, vorliegend einer Schädigung der Gesundheit der Klägerin, nicht die Grundlage für den Ersatzanspruch sein kann. Soweit allerdings das Berufungsgericht zugrunde gelegt hat, dass die festgestellten Kopf- und Nackenschmerzen sowie die Übelkeit als Unfallfolgen keine sogenannte Primärverletzung seien, wurde dies durch den Bundesgerichtshof anders beurteilt im Sinne einer psychisch vermittelten Verletzung. Die Klägerin war insoweit besonders anfällig, aufgrund eines früheren Unfalltods einer nahen Freundin sowie einer Tätigkeit als Ersthelferin seitens der Klägerin, wobei zwei Personen verstorben sind. Die durch das vorliegende Unfallereignis ausgelöste körperliche Reaktion im Sinne der festgestellten Kopf- und Nackenschmerzen sowie der Übelkeit war weder „eine Bagatellverletzung“ noch kann dies dem allgemeinen Lebensrisiko zugerechnet werden. Da Feststellungen des Berufungsgerichts zur Kausalität aufgrund der fehlerhaften Bewertung der festgestellten körperlichen Beeinträchtigungen nicht getroffen worden waren, wurde die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Die Entscheidung macht deutlich, dass sich Versicherer, jedoch auch Gerichte die Entscheidung in Bezug auf geltend gemachte Ansprüche aufgrund unfallbedingter Verletzungen oftmals zu leicht machen, fehlerhaft Ansprüche ablehnen.