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BGH, Urteil vom 31.03.2021 – XII ZR 42/20 – “Gefährliche kurze Verjährungsfrist im Mietrecht!“


Das Mietrecht enthält für Vermieter und Mieter eine außerordentlich gefährliche kurze Verjährungsfrist. Gemäß § 548 Abs. 1 BGB verjähren Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in sechs Monaten, wobei die Verjährung mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem er die Mietsache zurückerhält. In welchem Zustand die Mietsache ist, spielt für den Lauf der Verjährungsfrist im Regelfall keine Rolle. Ansprüche des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung verjähren in sechs Monaten nach der Beendigung des Mietverhältnisses.

Mit Urteil vom 31.03.2021 – XII ZR 42/20 – beschäftigte sich der Bundesgerichtshof mit der kurzen Verjährungsfrist für den Vermieter nach § 548 Abs. 1 BGB. Mietgegenstand war der Teilbereich einer Halle zum Betrieb einer stahlverarbeitenden Werkstatt nebst Lager. Mit Ergänzungsvertrag vom 01.01.2006 vermietete der Vermieter weitere 70 m² in der Halle zu einem monatlichen Nettobetrag von Euro 100,00 zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer an den Mieter. In dem Vertrag heißt es:

Der Mieter verpflichtet sich als Gegenleistung folgende Wertverbesserung in dem angemieteten Objekt vorzunehmen:

  • Isolierung und fehlende Wandverkleidung an der hintersten Giebelseite auf eigene Kosten vornehmen. Wertverbesserung ca. 6.000 Euro
  • Ausgleich und Versiegelung des Betonfußbodens in der Halle und im Werkraum. Wertverbesserung ca. 2.000,00-2.500,00 Euro.

Die Arbeiten waren nach der Vorstellung des Mieters erforderlich, um eine immissionsrechtliche Genehmigung für die Herstellung von Kunststoffprodukten zu erlangen. Im Januar 2009 schlossen die Parteien einen neuen Mietvertrag über das bisherige Mietobjekt, in dem ebenfalls die Verpflichtung des Mieters zur „Versiegelung des Hallenbodens und Isolierung des rückwärtigen Teilbereichs Raumabteilung der Halle gemäß ehemaliger Zusatzvereinbarung vom 01.01.2006“ auf Kosten des Mieters vereinbart war. In der Folgezeit nahm der Mieter Abstand von seinen Kunststoffverarbeitungsplänen und führte auch die vereinbarten Umbauarbeiten nicht durch. Nach Beendigung des Mietverhältnisses zum 30.11.2017 und Räumung der Mietsache zum 15.02.2018 verlangt der Vermieter unter anderem Schadensersatz in Höhe der Herstellungskosten für die Wandverkleidung an der Giebelseite sowie für die Bodenversiegelung, insgesamt Euro 21.596,68.

Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben die Klage wegen Verjährung abgewiesen und dies damit begründet, einschlägig sei die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB. Diese Frist habe in den Jahren 2006 und 2009 jeweils begonnen, da die Umbauverpflichtung des Mieters mit ihrer Begründung und Erneuerung jeweils sofort fällig wurde. Deshalb habe die dreijährige Verjährungsfrist am 31.12.2012 geendet. Die Verjährungsregel des § 548 BGB sei nicht einschlägig, da es sich nicht um Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache handele, sondern um eine als Hauptleistungspflicht übernommene Umbauverpflichtung des Mieters.

Der Bundesgerichtshof teilt diese Rechtsauffassung nicht. Zwar war die Umbauverpflichtung des Mieters mit deren Begründung sofort fällig (§ 271 Abs. 1 BGB). Daraus folgt aber nichts für die Verjährung der Ansprüche des Vermieters auf Rückgabe der Mietsache im vertraglich vereinbarten Zustand. Soweit die übernommene Umbauverpflichtung, unter Berücksichtigung der nachfolgend zu erwartenden Abnutzung, den bei der Rückgabe geschuldeten Zustand der Mietsache vertraglich festlegt, verjähren die Ersatzansprüche des Vermieters wegen eines davon abweichenden Zustands in sechs Monaten ab dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhält (§ 548 Abs. 1 BGB). Der Anwendungsbereich des § 548 Abs. 1 BGB ist weit auszulegen. Der Begriff der Verschlechterung im Sinne des § 548 Abs. 1 BGB setzt nicht voraus, dass der Zustand der Mietsache im Vergleich zum Beginn des Mietverhältnisses schlechter geworden ist. Gleichzustellen sind vielmehr Forderungen, die sich daraus ergeben, dass die Mietsache in dem Zeitpunkt, in dem sie der Vermieter zurückerhält, in einer für ihn nachteiligen Weise von dem Zustand abweicht, den sie nach dem Vertrag bei Rückgabe haben soll (vgl. BGHZ 86, 71, 77 f.). Auch für solche Fälle bezweckt § 548 BGB eine zeitlich klar umgrenzte Abwicklung der beiderseitigen Ansprüche nach Beendigung des Mietvertrags. Danach kommt es bei einer vom Mieter übernommenen Verpflichtung zur Umgestaltung der Mietsache darauf an, ob sie sich auf den Zustand des Mietobjekts bei dessen Rückgabe bezieht. In diesem Fall hat die Nichterfüllung oder nicht vollständige Erfüllung dieses Anspruchs eine Verschlechterung der Mietsache im Sinne des § 548 Abs. 1 BGB zur Folge (BGHZ 86, 71,77 f.). § 548 Abs. 1 BGB erfasst sämtliche Schadensersatzansprüche des Vermieters, die ihren Grund darin haben, dass der Mieter die Mietsache als solche zwar zurückgegeben hat, diese sich aber nicht in dem bei der Rückgabe vertraglich geschuldeten Zustand befindet (BGH NJW 2014, 920 Rn. 16 m.w.N.). Weil die Klage am 11.08.2018 und somit noch innerhalb von sechs Monaten nach Rückerhalt der Mietsache erhoben worden ist, steht die Verjährungseinrede dem geltend gemachten Ersatzanspruch nicht entgegen.

Zur Höhe des Schadensersatzanspruchs hat der Bundesgerichtshof ebenfalls eine relevante Streitfrage entschieden. Er führt nämlich aus, dass Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung ohne weiteres auch fiktiv abgerechnet werden können (so etwa auch BGH NJW 2014, 1444 Rn. 31 und BGH NZM 2018, 717 Rn. 16 ff.). Soweit der VII. Zivilsenat in einer Bausache entschieden hat, dass eine fiktive Schadensbemessung von Mängelbeseitigungskosten außer Betracht bleibt (BGH NJW 2018, 1463; BGH NJW 2021, 53), beruhe dies auf Besonderheiten des Werkvertragsrechts, insbesondere dem Vorschussanspruch aus § 537 Abs. 3 BGB, die bei den Ersatzansprüchen des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache keine Parallele finden (vgl. auch BGH, Urteil vom 12.03.2021 – V ZR 33/90).