Project Description

OLG Brandenburg, Urteil vom 19.06.2018 – 3 U 72/17 – “Gefährlich kurze Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche bei Beendigung des Mietverhältnisses


Für den Vermieter wird die kurze Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB nicht selten zum Verhängnis. Nach dieser Norm verjähren Schadensersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in sechs Monaten. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält. Häufig ist es nicht einfach, die Frist richtig zu berechnen, wie das Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 19.06.2018 – 3 U 72/17 zeigt.

Mietsache waren Räume, in denen sich ein Arbeitsgericht befand. Der Mieter kündigte wirksam außerordentlich am 05.07.2012 zum 30.09.2012, weil einige Räume eine DDT-Belastung aufwiesen. Am 09.11.2012 schrieb der Mieter – das Bundesland Brandenburg – dem Vermieter, dass dem Vermieter die Rückgabe der Mieträume ab sofort angeboten wird. Der Mieter schlug dem Vermieter einen kurzfristigen Vor-Ort-Termin vor, der unter anderem auch zur Übergabe der vom Mieter installierten zentralen Schließanlage dienen sollte. Mit Klage vom 08.07.2013 fordert der Vermieter Schadensersatz wegen Veränderungen und Verschlechterungen der Mietsache, insbesondere für die beschädigten und verunreinigten Teppichböden. Das Brandenburgische Oberlandesgericht entscheidet, dass die Ansprüche des Vermieters verjährt sind und die Klage wegen Verjährung abgewiesen werden muss. Die kurze Verjährungsfrist nach § 548 Abs. 1 BGB habe nämlich wegen Annahmeverzug des Vermieters bereits am 10.11.2012 begonnen. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei demnach bereits Verjährung eingetreten gewesen.

Das OLG Brandenburg geht davon aus, dass sich der Vermieter aufgrund des am 09.11.2012 übermittelten Schreibens in Annahmeverzug befunden habe. Zwar sei ein Vermieter nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verpflichtet, die Mietsache jederzeit – sozusagen auf „Zuruf“ des Mieters – zurückzunehmen (BGH NJW 2012, 144). So liege der Fall hier indessen nicht, denn anders als in der vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fallkonstellation hatte der Mieter hier das Mietverhältnis im Zeitpunkt des Rückgabeangebotes bereits unter dem 05.07.2012 wirksam zum 30.09.2012 außerordentlich gekündigt. Davon abgesehen hat der Mieter dem Vermieter gerade nicht „unmittelbar vor der Haustür“ die Übergabe der Zugangscodes zu der von ihm installierten zentralen Schließanlage angeboten, sondern dem Vermieter Gelegenheit gegeben, hierzu kurzfristig einen dem Vermieter genehmen Termin zu benennen.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts löst bereits der Annahmeverzug mit der Rücknahme der Mietsache den Beginn der kurzen Verjährungsfrist gemäß § 548 Abs. 1 BGB aus (ebenso KG ZMR 2005, 55; offen gelassen vom Bundesgerichtshof in der vorstehend zitierten Entscheidung). Zwar setzt die Rückgabe im Sinne dieser Vorschrift grundsätzlich eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters voraus, weil er erst durch die unmittelbare Sachherrschaft in die Lage versetzt wird, sich ungestört ein Bild von etwaigen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache zu machen (BGH NJW 1991, 2416). In Rechtsprechung und Schrifttum wird aber darüber hinausgehend überwiegend vertreten, dass es der Erlangung des unmittelbaren Besitzes durch den Vermieter gleichsteht, wenn er sich selbst der Möglichkeit begibt, die unmittelbare Sachherrschaft auszuüben, etwa indem er ein Angebot des Mieters auf Übergabe der Schlüssel zurückweist (KG a.a.O. m.w.N.) oder die Rücknahme der Schlüssel grundlos verzögert. Denn es konterkariert nach Auffassung des Oberlandesgerichts Brandenburg den Willen des Gesetzgebers, die von § 548 BGB erfassten Ansprüche einer kurzen Verjährungsfrist zu unterwerfen, wenn der Verjährungsbeginn allein vom Willensentschluss des Vermieters abhinge, die Mietsache zurückzunehmen. Der Vermieter soll gerade nicht den Eintritt der kurzen Verjährung dadurch zu Lasten des Mieters hinauszögern können, dass er davon absieht, die Mieträume in Besitz zu nehmen, obwohl er von der Besitzaufgabe durch den Mieter weiß und die Möglichkeit der Inbesitznahme hat (so auch OLG Düsseldorf NZM 2006, 866 und OLG München WuM 2003, 279 für den Fall, dass der Mieter dem Vermieter die Schlüssel zum Mietobjekt zukommen lässt). Diese Voraussetzungen sind hier nach Meinung des Oberlandesgerichts Brandenburg gegeben. Der Mieter hat dem Vermieter mit dem genannten Schreiben die Rücknahme des streitgegenständlichen Mietobjekts angeboten und ihm die Möglichkeit jederzeitiger Entgegennahme der Zugangscodes zu der Schließeinrichtung des Gebäudes eingeräumt. Es stand danach allein im Belieben des Vermieters, diesem Angebot nachzukommen, um so den ungestörten Zutritt zu den vermieteten Räumen zu erhalten. Der Fall ist mithin demjenigen der Schlüsselübergabe durch den Mieter ohne weiteres vergleichbar. Dies rechtfertigt es, den Vermieter so zu behandeln, als hätte er seit dem 10.11.2012 ungehinderten Zugang zu der Mietsache gehabt.

Interessant sind auch die Ausführungen des Oberlandesgerichts, wonach der Klagevortrag zu den angeblichen Schäden auch unschlüssig sei. Das Oberlandesgericht Brandenburg führt aus, dem Sachvorbringen zu den beschädigten Teppichböden lasse sich weder entnehmen, welches Alter bzw. welche Qualität und Güte der in den von dem Mieter genutzten Räumen verlegte Teppichboden gehabt hat noch woraus sich entnehmen lässt, dass er überhaupt noch einen wirtschaftlichen Wert gehabt hat, nachdem der Mieter hatte vortragen lassen, er sei bereits im Jahre 1994 vorhanden gewesen und die Nutzungsdauer eines textilen Bodenbelags nach Art des vorliegenden betrage zehn bis maximal fünfzehn Jahre. Vor diesem Hintergrund hätten keine hinreichenden Anknüpfungspunkte vorgelegen, um die Höhe des entstandenen Schadens gegebenenfalls schätzen zu können.