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OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 27.03.2023 – 5 U 2520/20 – „Fristlose Kündigung wegen öffentlich-rechtlicher Nutzungsuntersagung


Mit Beschluss vom 27.03.2023, 5 U 2520/20 bejahte das Oberlandesgericht Dresden ein Recht des Mieters zur fristlosen Kündigung des Gewerberaummietvertrages, nachdem das Bauaufsichtsamt eine Nutzungsuntersagung für die angemieteten Räume und den Sofortvollzug dieser Maßnahme angeordnet hatte. Mietsache war ein berufliches Trainingszentrum, in dem der Mieter berufliche Weiterbildungen im Bereich der Elektro-, Holz- und Metallverarbeitung durchführte. Im Rahmen einer Brandverhütungsschau stellte das Bauaufsichtsamt fest, dass sich die Nutzung der Mieträume nicht im Rahmen der bestehenden Baugenehmigung halte und zudem brandschutzrechtliche Mängel bestünden, weil die Räume nicht über einen zweiten Rettungsweg verfügten. Der Vermieter erhielt eine entsprechende bauaufsichtliche Mitteilung. Der Vermieter kündigte gegenüber der Bauaufsicht an, eine bauliche Lösung des brandschutztechnischen Problems erarbeiten und diese der Bauaufsicht vorlegen zu wollen, ergriff aber gleichwohl keine entsprechenden baulichen Maßnahmen. Daraufhin ordnete das Bauaufsichtsamt mit Verwaltungsakt gegenüber dem Mieter die Nutzungsuntersagung der angemieteten Räume und den Sofortvollzug dieser Maßnahme an. Der Mieter kündigte daraufhin fristlos. Sowohl das Landgericht Dresden als auch das Oberlandesgericht Dresden entschieden, dass die fristlose Kündigung berechtigt war.

Nach § 543 Abs. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB u. a. dann vor, wenn dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird. Dies ist insbesondere beim Auftreten eines Mangels der Fall, welcher dem vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache durch den Mieter entgegensteht (BGH NZM 2014, 165 Rn. 18). Außer reinen Beschaffenheitsfehlern der Mietsache können auch behördliche Beschränkungen und Gebrauchshindernisse die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch in einer Weise aufheben oder mindern, dass sie einen Mangel im Sinne von § 536 BGB begründen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die behördlichen Beschränkungen und Gebrauchshindernisse auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben. Außerdem muss der Mieter durch die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen und Gebrauchshindernisse in seinem vertragsgemäßen Gebrauch auch tatsächlich eingeschränkt werden (BGH NJW 2017, 1104 Rn. 14). Diese Voraussetzungen waren erfüllt, denn dem Mieter wurde die Nutzung der Räume durch den sofort vollziehbaren Bescheid der Baubehörde untersagt. Der Annahme eines Mangels im Sinne von § 536 BGB steht dabei nicht entgegen, dass der Bescheid im Zeitpunkt der Kündigungserklärung noch nicht bestandskräftig war und die aufschiebende Wirkung eines dagegen gerichteten Widerspruchs durch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hätte wiederhergestellt werden können. Es kann zwar im Grundsatz dem Mieter zugemutet werden, behördliche Anordnungen betreffend den Gebrauch der Mietsache auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Auf das Risiko eines verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreits mit ungewissem Ausgang muss sich der Mieter aber jedenfalls dann nicht einlassen, wenn die Behörde bereits eine sofortige Untersagung der Nutzung der Mietsache verfügt hat und der Gegenstand der ordnungsbehördlichen Beanstandung außerhalb des Einwirkungsbereich des Mieters liegt (BGH NJW 2017, 1104 Rn. 16). Der Mieter war auch nicht gehalten, gegen die Nutzungsuntersagungsverfügung vorzugehen, weil keine überwiegenden Erfolgsaussichten bestanden haben. Der Vermieter konnte im Prozess nicht darlegen, dass Erfolgsaussichten bestanden hätten, wenn der Mieter gegen die Nutzungsuntersagungsanordnung gerichtlich vorgegangen wäre. Die Kündigung scheiterte auch nicht daran, dass dem Vermieter keine Frist zur Abhilfe gesetzt worden war. Zwar ist grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung, die auf die Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag gestützt ist, gemäß § 543 Abs. 3 S. 1 BGB erst zulässig, wenn eine zuvor zur Abhilfe bestimmte angemessene Frist erfolglos abgelaufen ist. Die Setzung einer Abhilfefrist ist aber entbehrlich, wenn sie offensichtlich keinen Erfolg verspricht (§ 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BGB). Diese Voraussetzungen waren vorliegend gegeben. Der Vermieter war durch eine bauaufsichtliche Mitteilung auf die Nutzungshindernisse hingewiesen worden, blieb aber gleichwohl untätig. Angesichts dieses Verhaltens konnte der Mieter vernünftigerweise nur davon ausgehen, dass eine erneute Aufforderung zur Abhilfe vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung in gleicher Weise keinen Erfolg bringen würde.