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OLG Celle, Urteil vom 15.07.2014 – 2 U 83/14 – „Fristlose Kündigung trotz vorbehaltener Ersatzvornahme


Mit Urteil vom 15.07.2014 – 2 U 83/14 – befasste sich das Oberlandesgericht Celle mit der Frage, ob ein Mieter zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages berechtigt ist, wenn er den Vermieter unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung auffordert, sich im Aufforderungsschreiben nach fruchtlosem Fristablauf die Ersatzvornahme vorbehält und dann aber die fristlose Kündigung erklärt. Diese Frage wird vom Oberlandesgericht Celle bejaht. Es meint, die fristlose Kündigung trotz vorbehaltener Ersatzvornahme sei zulässig.

Mietgegenstand sind als Büro genutzte Gewerberäume. Wegen mehreren Absackungen in der Abwasserleitung kam es wiederholt zu Verstopfungen der Toilette. Die Absackungen in der Abwasserleitung wurden mit einem Sachverständigengutachten festgestellt, das im Rahmen einer Zahlungsklage des Vermieters eingeholt wurde. Nachdem das Gutachten dem Mieter vorlag, forderte dieser den Vermieter über seinen Anwalt mit Schreiben vom 24.06.2009  auf, die Mängel an der Abwasserleitung innerhalb einer bestimmten Frist, die vom Gericht als angemessen angesehen wurde, zu beseitigen. In dem Schreiben heißt es ferner: „Nach ergebnislosem Fristablauf muss ich mir für meine Mandantschaft vorbehalten, eine Beseitigung des Mangels abzulehnen und dann die Mängel auf Ihre Kosten beseitigen zu lassen, gegebenenfalls vorher Mängelbeseitigungsvorschussklage zu erheben.“

Nach Ablauf der gesetzten Frist kündigt der Mieter mit anwaltlichem Schreiben vom 12.09.2013 fristlos, aber mit Auslauffrist zum 28.02.2014. Nach Zugang der fristlosen Kündigung ließ der Vermieter den Mangel (mehrere Absackungen in der Abwasserleitung) am 24.09.2013 beseitigen. Unwidersprochen hatte der Mieter im Rechtsstreit vorgetragen, dass eine Verstopfung der Toilette „zu einer Blockade des in den Räumlichkeiten ausgeübten Bürobetriebs führt“.

Das Oberlandesgericht Celle urteilt, dass das Mietverhältnis durch die außerordentliche Kündigung des Mieters vom 12.09.2013 mit Wirkung zum 28.02.2014 beendet wurde. Die Kündigung war gemäß § 543 Abs. 1 BGB berechtigt, weil ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vorlag.

Gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB liegt ein wichtiger Grund insbesondere dann vor, wenn dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch nach Vertragsschluss wieder entzogen wird. Eine teilweise Entziehung des Mietgebrauchs in diesem Sinne liegt auch darin, dass die Mietsache mangelhaft im Sinne des § 536 BGB wird. Dem Mieter ist der Gebrauch des WCs und damit eines Teils der Mietsache nach Vertragsschluss wieder entzogen worden, weil die Mietsache mit einem Mangel behaftet war. Ein WC, das aufgrund baulicher Mängel dauernd zu verstopfen droht und bereits wiederholt verstopft war, ist per se mangelhaft. Der Mangel liegt zumindest auch in der permanenten Verstopfungsgefahr. Aufgrund der Absackungen war immer wieder mit Verstopfungen zu rechnen. Wenn auch die konkrete Verstopfung rasch beseitigt werden mag, bestand die Gefahr einer erneuten Verstopfung bis zur Durchführung der Reparaturarbeiten an der Abwasserleitung durchgehend fort.

Ob eine Gefahr einen Mangel der Mietsache im Sinne des § 536 Abs. 1 S. 1 BGB darstellt und damit auch als teilweise Gebrauchsentziehung im Sinne des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB zu werten ist, ist tatrichterlich zu würdigen. Dabei schließt sich das Oberlandesgericht Celle der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm an, wonach eine Mietsache nicht erst dann als mangelhaft gilt, wenn der Mieter einen Schaden wirklich erleidet, sondern schon dann und deshalb, wenn und weil er sie nur in der Befürchtung der Gefahrverwirklichung benutzen kann (OLG Hamm NJW-RR 1987, 968). Gemessen daran bestand ein Mangel allein deshalb, weil die Mitarbeiter des Mieters die Toilette spätestens nach Kenntnis des Sachverständigengutachtens allenfalls in der Befürchtung nutzen konnten, auch bei sachgemäßer Benutzung eine erneute Verstopfung auszulösen. Dieser Mangel war auch nicht so unerheblich, dass ausnahmsweise ein Kündigungsrecht entfiele. Auszugehen ist davon, dass grundsätzlich jede Störung des Mieters im vertragsgemäßen Gebrauch erheblich ist. Eine abweichende Beurteilung kommt daher nur in Ausnahmefällen in Betracht, die im entschiedenen Fall nicht vorlagen. Da jederzeit erneut mit Verstopfungen zu rechnen war, war ständig die Gefahr einer Verstopfung gegeben. Der Mangel an der WC-Anlage bestand nicht nur zu den Zeitpunkten, in denen wegen einer Verstopfung eine Weiterbenutzung nicht möglich war, sondern im gesamten Zeitraum, in dem eine Toilettenbenutzung dem Mieter zwar möglich erschien, aber mit der Gefahr verbunden war, dadurch eine latent bereits bestehende Verstopfung offen zu Tage treten zu lassen. Hinzu kam, dass für den Mieter eine Verstopfung nach seinem unbestrittenen Vortrag mit einer Blockade des Bürobetriebs, also der gesamten Geschäftstätigkeit verbunden war. Die Beseitigung des Mangels nach Zugang der fristlosen Kündigung lässt deren Wirksamkeit unberührt.

Es war auch nicht erforderlich, dass der Mieter vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung erneut eine Frist setzte. Zutreffend ist indes, dass dann, wenn der Mieter für den fruchtlosen Ablauf einer Abhilfefrist eine bestimmte Maßnahme androht, im Einzelfall die Setzung einer weiteren Frist mit einer Kündigungsandrohung erforderlich sein kann. Der Mieter schafft in diesem Fall einen Vertrauenstatbestand gegenüber dem Vermieter, der nunmehr nicht damit rechnen muss, das Mietverhältnis werde durch eine fristlose Kündigung des Mieters sein Ende finden, sondern davon ausgehen kann, der Mieter werde die Mängel selbst abstellen und das Mietverhältnis fortsetzen. Im konkreten Fall fehlt es aber bereits an einer Androhung, die geeignet war, bei dem Vermieter schutzwürdiges Vertrauen darauf zu begründen, der Mieter würde nur eine Ersatzvornahme vornehmen und nicht von der Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung Gebrauch machen. Schon der Wortlaut des Schreibens vom 24.06.2013 beinhaltet keine Androhung, also die Ankündigung, genau diese Rechte bei Fristablauf zu ergreifen, sondern lediglich den Vorbehalt, eine Mangelbeseitigung abzulehnen und die Mängel sodann auf Kosten des Vermieters beseitigen zu lassen. Wenn sich jedoch eine Vertragspartei lediglich vorbehält, von einem bestimmten Mängelgewährleistungsrecht Gebrauch zu machen, bedeutet dies nicht, dass der Mieter von diesem Recht in jedem Fall Gebrauch machen wird, und insbesondere nicht, dass der Mieter andere Rechte nicht ausüben wird. Wer sich Rechte vorbehält, macht nur darauf aufmerksam, dass ihm diese Rechte zustehen, um seinem Begehren, den Mangel binnen gesetzter Frist zu beseitigen, Nachdruck zu verleihen. Er wird im Falle des Fristablaufs endgültig entscheiden, ob er von diesen Rechten Gebrauch macht. Dass er im Falle eines erfolglosen Fristablaufs keine anderen, genau so möglichen rechtlichen Konsequenzen ziehen wird, und auf diese faktisch sogar einstweilen bis zu einer erneuten Fristsetzung verzichtet, will er ersichtlich nicht zum Ausdruck bringen.