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OLG München, Beschluss vom 13.01.2025 – 32 U 3042/24 e – „Fristlose Kündigung eines gewerblichen Mietverhältnisses wegen einer Nebenpflichtverletzung“


Mit Beschluss vom 13.01.2025 hat das Oberlandesgericht München – 32 U 3042/24 e – entschieden, dass auch die Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Mietverhältnis im Einzelfall eine fristlose Kündigung eines befristeten gewerblichen Mietverhältnisses rechtfertigen kann. Der Entscheidung lag zugrunde, dass der Vermieter im Rahmen der Vermietung von Büroflächen für ca. 1.000 Mitarbeiter der Mieterin die Verpflichtung übernahm, eine Kantine zu betreiben. Das Oberlandesgericht München entscheidet, dass die Verletzung dieser Pflicht nach Fristsetzung ein zur fristlosen Kündigung wegen Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung nach § 543 Abs. 1 BGB berechtigender wichtiger Grund sein kann.

Zwischen den Parteien bestand ein Mietvertrag über insgesamt etwa 10.000 m² Büro- und Nebenflächen in München zu einer Bruttomiete von monatlich Euro 228.945,37. Der Vertrag sah eine Festmietzeit von sechs Jahren mit einem einmaligen Optionsrecht vor. Außerhalb der von der Mieterin angemieteten Büroflächen befand sich eine Kantinenfläche. Im Mietvertrag verpflichtete sich der Vermieter, für die Dauer des Mietverhältnisses den Kantinenbetrieb im Gebäude aufrechtzuerhalten. Der Vermieter übernahm eine eingeschränkte Betriebspflicht, die nicht bestehen sollte, wenn der Kantinenbetrieb aus nicht vom Vermieter zu vertretenden Gründen nicht möglich, nicht zumutbar bzw. nicht zulässig ist. Entgegen der vertraglichen Vereinbarung wurde die Kantine zum Mietbeginn nicht betrieben. Die Mieterin setzte dem Vermieter eine Frist und forderte diesen auf, den Kantinenbetrieb zu gewährleisten. Gleichzeitig wurde eine außerordentliche Kündigung angedroht. Daraufhin stellte der Vermieter täglich wechselnde Food-Trucks im Gelände zur Verfügung, die es den Mitarbeitern der Mieterin jedenfalls in den Mittagsstunden ermöglichten, eine warme Mahlzeit vor Ort einzunehmen oder dort abzuholen. Die Mieterin teilte dem Vermieter mit, dass sie ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht diese Form der Ersatzversorgung für die Dauer von acht Wochen dulden werde, die aber nicht vertragsgemäß sei und innerhalb einer gesetzten Frist durch den vertrags- und ordnungsgemäßen Kantinenbetrieb abgelöst werden müsse. Auch in der Folgezeit gelang es dem Vermieter nicht, einen Kantinenbetreiber zu finden, sodass die Mieterin schließlich am 06.04.2023 eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist zum 31.05.2023 erklärte.

Das Oberlandesgericht München ist der Auffassung, dass die fristlose Kündigung wirksam war. Ein wichtiger Grund nach der Generalklausel des § 543 Abs. 1 BGB liegt nach S. 2 vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens des Vertragspartners, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Diese Voraussetzungen lagen nach Auffassung des Oberlandesgerichts München vor. Ein wichtiger Grund für die Kündigung nach der Generalklausel des § 543 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn einer Partei aufgrund von – im Einzelfall nachzuweisenden – Pflichtverletzungen der anderen Partei die Fortsetzung des Vertrags nicht oder nicht mehr zugemutet werden kann (BGH NJW 2024, 355). Eine solche Pflichtverletzung des Vermieters lag in der streitgegenständlichen Sache darin, dass der Vermieter entgegen seiner mietvertraglich übernommenen Verpflichtungen keine Nutzungsmöglichkeit der Kantine zur täglichen und abwechslungsreichen gastronomischen Versorgung durch die Mitarbeiter der Mieterin zur Verfügung gestellt hat. Der Vermieter hatte sich verpflichtet, den Betrieb der Kantine – selbst oder durch einen Dritten – zu garantieren. Die Erfüllung dieser Nebenpflicht war für den Vermieter weder unmöglich noch unzumutbar. Der Vermieter hatte hinreichende Zeit, sich um einen Kantinenpächter zu kümmern. Die Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB scheitert vorliegend auch nicht daran, dass der Vermieter lediglich eine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat. Die Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB setzt nicht zwingend die Verletzung einer Hauptpflicht voraus. Auch die Verletzung von Nebenpflichten kann unter bestimmten Umständen einen wichtigen Grund für die Kündigung darstellen, wenn die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Kündigenden im konkreten Fall unzumutbar ist (BGH NJW-RR 1992, 1032). Die Pflichtverletzung des Vermieters war vorliegend auch schuldhaft. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Vermieter nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB die Beweislast für ein fehlendes Verschulden trägt. Ein entsprechender Vortrag ist aber nicht gehalten worden.

Das Oberlandesgericht München stellt weiter fest, dass eine Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Mieterin auch unzumutbar war. Es bestand kein ernsthafter Zweifel daran, dass für die Mieterin die Nutzungsmöglichkeit der Kantine insbesondere für das Mittagessen der Mitarbeiter von großer Bedeutung war. Der Vermieter hatte auch genügend Zeit, einen Kantinenbetreiber zu suchen. Der Vermieter wäre nach Ansicht des Oberlandesgerichts auch gehalten gewesen, einem potentiellen Kantinenbetreiber attraktivere Konditionen zu unterbreiten. Die notwendige Fristsetzung nach § 543 Abs. 3 S. 1 BGB war erfolgt. Einer – hier vorliegenden – Kündigungsandrohung hätte es ohnehin nicht bedurft.