Project Description

Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 23.10.2024 – 12 U 8/23 – „Formularvertraglicher Ausschluss des Minderungs- und Zurückbehaltungsrechts“


Mit Urteil vom 23.10.2024 – 12 U 8/23 – beschäftigte sich das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht mit einer formularmäßigen Klausel in einem Gewerberaummietvertrag, mit der das Minderungs- und Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen (oder juristisch exakter: eingeschränkt) wurde. In dem Mietvertrag wurde geregelt:

„Eine Minderung der Miete ist ausgeschlossen. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung bleiben unberührt.

Eine Aufrechnung oder die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts durch den Mieter ist nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen zulässig. Die Ausübung dieser Rechte ist mit einer Frist von einem Monat anzukündigen.“

Das Oberlandesgericht führt aus, dass der Minderungsausschluss im Gewerberaummietrecht, der hier durch Allgemeine Geschäftsbedingungen erfolgte, der Klauselkontrolle nach § 307 BGB standhält. Formularvertraglich ist nur der vollständige Ausschluss der Minderung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zulässig, die davon ausgeht, dann würde das Äquivalenzprinzip zwischen Miete und Wert der Gebrauchsüberlassung empfindlich gestört und würden die dem Mietvertrag innewohnenden Risiken in unangemessener Weise auf den Mieter verlagert. Jedoch halten nach ständiger Rechtsprechung formularvertragliche Minderungsbeschränkungen in Geschäftsraummietverträgen, die den Mieter auf einen Rückzahlungsanspruch nach Maßgabe des § 812 BGB (also aus ungerechtfertigter Bereicherung) verweisen, einer Überprüfung stand, da sie den Mieter nicht unangemessen benachteiligen. Dies ist auch dann der Fall, wenn sie mit der Einschränkung der Aufrechnung und Zurückbehaltung auf unbestrittene, entscheidungsreife oder rechtskräftig festgestellte Forderungen kombiniert werden. Begründet wird dies mit dem berechtigten Interesse des Vermieters auf zunächst einmal vollständige Mietzahlung. Die Mieterin, die sich im Rechtsstreit auf eine Minderung wegen eines Mangels der Mietsache berufen wollte, hatte insoweit somit keinen Erfolg. Gescheitert ist die Mieterin auch mit dem Argument, wegen des geltend gemachten Mangels stünde ihr eine Einrede des nicht erfüllten Vertrags gemäß § 320 BGB zu. Zwar hindert der Umstand, dass ein Mangel auch ein Minderungsrecht begründet, die Geltendmachung der Einrede aus § 320 BGB nicht. Beide Rechte des Mieters stehen gleichberechtigt nebeneinander. Allerdings kann die Möglichkeit, ein Zurückbehaltungsrecht auszuüben, im Gewerbemietvertrag ausgeschlossen werden. Der formularmäßige Ausschluss ist insofern, wie der Ausschluss der Minderung, zulässig, wenn hiervon unstreitige oder rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen ausgenommen sind. Fraglich war, ob mit der mietvertraglichen Regelung auch die Einrede des nicht erfüllten Vertrags ausgeschlossen war, da in der Klausel von einem Zurückbehaltungsrecht, nicht aber von der Einrede des nicht erfüllten Vertrags die Rede ist. Insoweit wird in der Literatur, insbesondere im Kommentar Guhling/Günter, Gewerberaummiete, § 536 Rn. 444 die Auffassung vertreten, gemäß der Unklarheitenregelung in § 305c Abs. 2 BGB meine „Zurückbehaltungsrecht“ nur das Recht nach § 273 BGB, nicht aber die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäß § 320 BGB. Diese Literaturstimme ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil der Kommentator Günter Mitglied des für die Gewerberaummiete zuständigen XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ist. Das Oberlandesgericht ist allerdings anderer Auffassung und meint, das Zurückbehaltungsrecht und die Einrede des nicht erfüllten gegenseitigen Vertrags würden sich ihrer Funktion nach nicht unterscheiden, weshalb allgemein angenommen werde, dass der Ausschluss eines Zurückbehaltungsrechtes auch für die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäß § 320 BGB gilt (vgl. BGH NJW-RR 2003, 873; 2005, 919). Da die Aufrechnung oder die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts durch den Mieter mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen weiterhin als zulässig in der Klausel festgehalten wird, sei insofern auch keine unangemessene Benachteiligung festzustellen. Es sei auch zulässig, dass die Ausübung dieser Rechte mit einer Frist von einem Monat anzukündigen ist. Eine solche Klausel führt zwar dazu, dass der Mieter eine mögliche Minderung, weil er zunächst einmal zur Vorauszahlung verpflichtet wird, weder durch Abzug vom geschuldeten Mietzins, noch durch Aufrechnung mit einem Bereicherungsanspruch im Folgemonat durchsetzen kann. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass zumindest bei der Minderung diese in der Gewerberaummiete von der vorherigen schriftlichen Ankündigung des Mieters abhängig gemacht werden kann.

Im konkreten Fall hat das Oberlandesgericht aber die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung zugelassen, weil diese entscheidungsreif war. Nach einhelliger Auffassung ist eine Klausel, welche die Aufrechnung mit unbestrittenen Forderungen nicht ausschließt, dahingehend auszulegen, dass sie auch die Aufrechnung mit im Streit stehenden entscheidungsreifen Forderungen zulässt. Entscheidungsreife Forderungen stellen nur einen Unterfall der unbestrittenen Forderungen dar. Eine Forderung ist ganz oder teilweise entscheidungsreif, wenn eine Ergänzung des bereits vollständig mündlich vorgetragenen und gegebenenfalls auch aktenkundigen Prozessstoffs nicht mehr erforderlich ist. Wenn im Prozess das Minderungsrecht rechtskräftig festgestellt werden kann bzw. der entsprechende Rückforderungsanspruch entscheidungsreif ist, kann auch mit der entsprechenden Gegenforderung aufgerechnet werden. Insoweit ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts in der Einbehaltung der Miete auch eine entsprechende Aufrechnungserklärung zu sehen, da die Aufrechnung keiner ausdrücklichen Erklärung bedarf und schon in der Leistungsverweigerung gegenüber einer gleichartigen Schuld gesehen werden kann.