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OLG Dresden, Urteil vom 10.07.2019, 5 U 151/19 – “Flächenunterschreitung bei Vereinbarung einer echten Quadratmetermiete“


Das Oberlandesgericht Dresden befasste sich mit Urteil vom 10.07.2019 (5 U 151/19) mit der Frage, welche Rechtsfolgen eine Flächenunterschreitung bei Vereinbarung einer sogenannten echten Quadratmetermiete hat.

Mietsache war ein Café in Dresden. Vereinbart war eine Vertragsdauer vom 20.08.2008 bis zum 31.05.2014. In § 1 Nr. 1 des Mietvertrages (Mietobjekt) war geregelt:

„Die vermietete Fläche beträgt insgesamt ca. 177 m². Die Mietfläche ist in den als Anlage 1 beigefügten Grundrissen rot markiert. Diese Lagepläne sind Bestandteil des Mietvertrags.“

Als monatliche Nettokaltmiete war im Wege der Staffelmiete ab dem 01.12.2008 ein Betrag von EUR 885,00 und ab dem 01.08.2011 ein Betrag von EUR 1.239,00 jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart. Ferner hieß es in § 4 des Mietvertrages (Mietzins) unter Ziff. 3.:

„Für die Berechnung der Kaltmiete wird die in § 1 angegebene Mietfläche als verbindlich und zutreffend zugrunde gelegt.“

Zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses befand sich die Mietsache noch im Bau. Mit Einschreiben vom 11.04.2011 kündigte die Mieterin das Mietverhältnis außerordentlich zum 30.06.2011 mit der Begründung, die an sie überlassene Mietfläche habe lediglich eine Größe von 154,175 m², was eine Minderfläche von 12,9 % gegenüber der im Mietvertrag enthaltenen Fläche von 177 m² bedeute. Die Fortsetzung des Mietvertrages sei deshalb für sie unzumutbar. Der Vermieter wendet hiergegen ein, die Mietfläche sei 164,25 m² groß, was einer Minderfläche von 7,2 % entspreche.

Im Rechtsstreit wird festgestellt, dass die Mietfläche um 7,2 % kleiner ist als die vereinbarte Mietfläche. Der Bundesgerichtshof hatte mit Urteil vom 24.03.2004 (VIII ZR 295/03, NJW-2004, 1947) zur Wohnungsmiete entschieden, dass bei einer erheblichen Flächenabweichung zum Nachteil des Mieters eine tatsächliche Vermutung für eine erhebliche Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit spreche, sodass in diesem Falle kein gesonderter Nachweis für eine konkrete Beeinträchtigung erforderlich sei. Eine erhebliche Flächenabweichung zulasten des Mieters in diesem Sinne liege vor, wenn die tatsächlich überlassene Fläche mehr als 10 % hinter der vertraglich vereinbarten Größe zurückbleibe. Diese Auffassung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs für die Wohnungsmiete hat sich der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs für den Bereich der Gewerberaummiete mit Urteil vom 04.05.2005 (XII ZR 254/01, NJW 2005, 2152) angeschlossen.

Grundsätzlich können deshalb nur Flächenunterschreitungen von mehr als 10 % eine Mietminderung rechtfertigen. Anders verhält es sich bei der Vereinbarung einer sogenannten echten Quadratmetermiete. Die Parteien eines Mietvertrags vereinbaren eine echte Quadratmetermiete, wenn sie im Mietvertrag festlegen, dass sich die Miete aus der Größe des Mietobjektes in Quadratmetern multipliziert mit einem pro Quadratmeter zu zahlenden Mietpreis ergibt (so OLG Dresden NZM 2015, 697 und Lindner-Figura u.a., Geschäftsraumiete, 4. Aufl., Kap. 10 Rn. 56). Nach diesen Kriterien haben die Parteien im streitgegenständlichen Mietvertrag eine echte Quadratmetermiete vereinbart. Der Mietvertrag enthält nämlich die ausdrückliche Regelung, dass für die Berechnung der Kaltmiete die in § 1 angegebene Mietfläche als verbindlich und zutreffend zugrundegelegt wird. Damit bringen die Parteien unmissverständlich zum Ausdruck, dass es eine unmittelbare Verknüpfung zwischen der überlassenen Mietfläche einerseits und der Berechnung der Miethöhe andererseits gibt, was die Grundlage für die Annahme einer echten Quadratmetermiete ist. Wegen der Vereinbarung einer echten Quadratmetermiete im Mietvertrag bestimmt sich der Betrag der von der Mieterin geschuldeten Miete unmittelbar auf der Grundlage der tatsächlichen Fläche, ohne dass es dabei entscheidend auf die Frage ankommt, ob die für den Mieter nachteilige Flächenabweichung unmittelbar zu einer Reduzierung der Miete führt oder ein Mangel des Mietobjekts im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB auch unterhalb einer Flächenabweichung von 10 % zulasten des Mieters angenommen wird, was dann der Fall ist, wenn eine geringere Flächendifferenz als 10 % die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch erheblich beeinträchtigt (OLG Dresden NZM 2015, 697 und KG NZM 2005, 865 sowie NJOZ 2009, 2432). Bei der Vereinbarung einer echten Quadratmetermiete existiert eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung, aus der sich die Bedeutung der Flächengröße für die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch ergibt. Die Parteien haben im Mietvertrag geregelt, dass für die Berechnung der Kaltmiete die in § 1 angegebene Mietfläche als verbindlich und zutreffend zugrundegelegt wird. Jede Veränderung der tatsächlichen Mietfläche führt danach unmittelbar eine Änderung der Miethöhe herbei. Im Ergebnis ist deshalb aufgrund der Flächenabweichung die Miete um 7,2 % reduziert bzw. gemindert, auch wenn die Flächenabweichung unterhalb von 10 % liegt.

Erfolglos war auch das Argument des Vermieters, die Mieterin könne sich nicht auf die Flächenabweichung berufen, weil sie den Mangel der Mietsache grob fahrlässig nicht kannte. Das Oberlandesgericht Dresden rekurriert auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29.04.2009, VIII ZR 142/08, NJW 2009, 2297, Rn. 14, in dem der BGH zur Wohnraummiete entschieden hatte, dass der Mieter nicht verpflichtet ist, die Mietsache zu vermessen. Das Oberlandesgericht Dresden führt aus, es stelle keine grobe Fahrlässigkeit dar, wenn der Mieter keine Vermessung durchführt.

Die Flächenunterschreitung führt nach Meinung des Oberlandesgerichts Dresden zum Recht der Mieterin, das Mietverhältnis außerordentlich zu kündigen. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung soll aus § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB folgen, wonach ein Mieter zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung berechtigt ist, wenn ihm der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil vorenthalten wird. Das Oberlandesgericht Dresden meint, die Abweichung der tatsächlichen Fläche um 7,2 % von der vertraglich vereinbarten Fläche stelle einen Sachmangel dar und beeinträchtige unmittelbar die Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs für die Mieterin. Wenn die Flächenabweichung bei der echten Quadratmetermiete zu einer Reduzierung bzw. Minderung der Miete führe, sei damit zugleich festgestellt, dass der Mieterin in erheblichem Maße der vertragsgemäße Gebrauch des Mietobjekts vorenthalten wird, sodass die Voraussetzungen des Kündigungsgrundes aus § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB vorliegen. Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung der Mieterin scheitere auch nicht daran, dass sie dem Vermieter keine erfolglose Frist zur Abhilfe nach § 543 Abs. 3 S. 1 BGB gesetzt hat. Eine Fristsetzung sei entbehrlich gewesen, da diese offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Die Flächenunterschreitung konnte nämlich mit einer Abhilfemaßnahme nicht beseitigt werden.