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BGH, Urteil vom 04.05.2022 – XII ZR 64/21 – “Fitnessstudiovertrag und Corona“


Ein Fitnessstudiovertrag ist rechtlich entweder als Mietvertrag oder als Dienstvertrag oder als gemischter Vertrag mit Merkmalen des Mietvertrages und eines anderen Vertragstyps zu qualifizieren. Deshalb war der für das Gewerberaummietrecht zuständige XII. Senat des Bundesgerichtshofs zur Entscheidung der Frage berufen, ob der Nutzungsberechtigte eines Fitnessstudios einen Anspruch auf Rückzahlung der entrichteten Monatsbeiträge für die Dauer der Zwangsschließung des Fitnessstudios aufgrund hoheitlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie hat.

Die Parteien hatten im Mai 2019 einen Vertrag über die Mitgliedschaft im Fitnessstudio der Beklagten mit einer Laufzeit von 24 Monaten geschlossen. Das Fitnessstudio musste wegen der COVID-19-Pandemie aufgrund hoheitlicher Anordnung in der Zeit vom 16.03.2020 bis 14.06.2020 schließen. Mitgliedsbeiträge für diesen Zeitraum wurden vom Fitnessstudio vom Konto des Klägers eingezogen. Dieser forderte die Rückzahlung und, nachdem diese nicht erfolgte, einen Wertgutschein über den eingezogenen Betrag. Das lehnte die Beklagte ab. Sie bot dem Kläger aber eine Gutschrift über die Trainingszeit für den Zeitraum der Schließung an. Dieses Angebot nahm der Kläger nicht an und er klagte auf Rückzahlung der Mitgliedsbeiträge für die Zeit der Schließung. Der Bundesgerichtshof hat der Klage stattgegeben.

Für die rechtliche Beurteilung ist Art. 240 § 5 Abs. 2 bis 5 EGBGB von Bedeutung. Nach diesen Vorschriften ist der Betreiber einer Sport- oder sonstigen Freizeiteinrichtung, der diese wegen der Pandemie schließen musste berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 08.03.2020 erworbenen Nutzungsberechtigung anstelle einer Erstattung des Entgelts einen Gutschein zu übergeben. Der Inhaber des Gutscheins kann von dem Betreiber aber die Auszahlung des Werts des Gutscheins verlangen, wenn der Verweis auf einen Gutschein für ihn angesichts seiner persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist oder er den Gutschein nicht bis 31.12.2021 eingelöst hat. Der Inhaber des Gutscheins hat es also in der Hand, zumindest ab 01.01.2022 Werterstattung zu verlangen. Deshalb war diese Gutscheinlösung offenbar für viele Betreiber von Fitnessstudios nicht attraktiv und sie versuchten, ihre Kunden wie im streitgegenständlichen Fall darauf zu verweisen, dass sich das Nutzungsrecht aus dem Fitnessvertrag um die Dauer der Zwangsschließung verlängern sollte. Der Bundesgerichtshof hat überzeugend begründet, dass sich ein Kunde des Fitnessstudios hierauf nicht einlassen muss. Der Bundesgerichtshof arbeitet heraus, dass es dem Betreiber des Fitnessstudios während der Zeit der Zwangsschließung unmöglich ist, dem Nutzungsberechtigten die Möglichkeit zur vertragsgemäßen Nutzung des Fitnessstudios zu gewähren und damit seine vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen. Deshalb hat der Nutzungsberechtigte für den Zeitraum der Schließung einen Anspruch auf Rückzahlung der entrichteten Monatsbeiträge, sofern der Betreiber von der Gutscheinlösung nach Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB keinen Gebrauch gemacht hat. Da ein Fall der Unmöglichkeit vorliegt scheidet auch eine Anpassung des Vertrages nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage aus. Wenn die gesetzlichen Regelungen zur Unmöglichkeit einschlägig sind ist daneben eine Anpassung des Vertrags wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB nicht möglich. Eine Anpassung des Vertragsverhältnisses nach den Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage ist nicht mehr möglich, wenn bereits aufgrund spezieller gesetzlicher Vorschriften, hier zur Unmöglichkeit, die wechselseitigen vertraglichen Leistungsverpflichtungen entfallen sind. Hinzu kommt, dass ein Anspruch des Betreibers des Fitnessstudios auf die begehrte Vertragsanpassung (Verlängerung der Vertragslaufzeit um den Zeitraum einer pandemiebedingten Schließung des Fitnessstudios) auch deshalb ausscheidet, weil mit Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB eine speziellere Vorschrift besteht, die im Rahmen ihres Anwendungsbereichs die gesetzlichen Rechtsfolgen der Unmöglichkeit modifiziert und einem Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze zur Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage entgegensteht. Eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage dahingehend, dass der Zeitraum der Schließung an die vertraglich vereinbarte Laufzeit des Vertrags angehängt wird, kann der Betreiber des Fitnessstudios daher nicht verlangen.