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BGH Urteil vom 18.02.2020 – VI ZR 115/19 – “Fiktive Schadenabrechnung beim Fahrzeugschaden – Kürzungsmöglichkeiten“


Im Falle eines Unfallschadens mit Beschädigung eines Kraftfahrzeugs besteht die Möglichkeit der fiktiven Schadenabrechnung, auf Grundlage eines Schadengutachtens oder Kostenvoranschlags, ohne Ausführung der Reparatur oder Ersatzbeschaffung. Hinsichtlich der Berechnung des erforderlichen Kostenaufwandes ist es mittlerweile gefestigte Rechtsprechung, dass ohne gewichtige Interessen des Geschädigten, welche dem entgegenstehen, der Schädiger bzw. sein Versicherer auf eine für den Geschädigten mühelos erreichbare, qualitativ einer herstellergebundenen Fachwerkstatt entsprechende, jedoch günstigere Reparaturmöglichkeit verweisen darf. Regelmäßig ist eine solche Verweisung ausgeschlossen, soweit das unfallgeschädigte Fahrzeug noch keine drei Jahre alt ist, dies aufgrund einer Herstellergarantie, deren Erhalt.

Es war nunmehr durch den Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 18.02.2020 – VI ZR 115/19 darüber zu entscheiden, für welchen Zeitpunkt die aufgrund Verweisung auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit relevanten Stundenverrechnungssätze heranzuziehen sind. Entgegen der Vorinstanz wurde durch den Bundesgerichtshof entschieden, dass bei nicht oder nicht vollständiger Regulierung regelmäßig die zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz geltenden Stundenverrechnungssätze zu berücksichtigen seien. Weder wurde ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht, bei entsprechend aufgeschobener Reparatur, angenommen, noch wurden Schwierigkeiten für die letzte Tatsacheninstanz, zur kurzfristigen Ermittlung der relevanten Stundenverrechnungssätze akzeptiert, insoweit wurde insbesondere auf die Möglichkeit der schriftlichen Zeugenaussage durch diese Werkstattalternative verwiesen.

Zunächst wurde durch dieses Urteil für den Bereich des Kfz-Schadenfalles die Möglichkeit der fiktiven Abrechnung durch den Geschädigten, ohne Verpflichtung zur Vorlage einer Rechnung, bestätigt. Weiter ergeben sich aus der Entscheidung gewichtige Argumente gegen eine Kürzung der erforderlichen Reparaturkosten bei fiktiver Abrechnung, da ohne vollständige Abrechnung Preissteigerungen zu Lasten des Schädigers/seines Versicherers gehen. Es bleiben jedoch durch diese Entscheidung noch in erheblichem Umfang offene Fragen, beispielsweise im Falle der anderweitig, beispielsweise durch Fotos dokumentierten vollständigen Reparatur, oder wegen des fortschreitenden Alters des Fahrzeuges. Zunächst kann jedoch die Entscheidung für Geschädigte bei fiktiver Abrechnung gegen Kürzungen der Ersatzleistung herangezogen werden.