Project Description

Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.03.2022 – V ZR 77/21 – “Fehler allein reichen nicht aus“


Viele Beschlussanfechtungsklagen gegen Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung werden mit formalen Fehlern begründet, wenn beispielsweise nicht die richtige Person zur Versammlung der Eigentümer eingeladen hat oder Tagesordnungspunkte nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden sind (§ 23 Abs. 2 WEG). Das Bestehen solcher Fehler allein reicht aber für die begehrte Ungültigerklärung von Beschlüssen nicht aus. Vielmehr müssen sich die Fehler auf die gefassten Beschlüsse auch ausgewirkt haben.

So hat der Bundesgerichtshof am 11.03.2022 entschieden, dass der formelle Fehler in Form der Einberufung der Eigentümerversammlung durch einen Nichtberechtigten geheilt wird, wenn sämtliche Wohnungseigentümer an der Versammlung und der Abstimmung teilnehmen. Es kommt dabei nicht einmal darauf an, ob den Wohnungseigentümern die fehlende Einberufungsberechtigung bekannt gewesen ist, so der Bundesgerichtshof.

Auch der Umstand, dass die Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan 2019 in der Einladung nicht angekündigt worden war, hat den Bundesgerichtshof ebenfalls nicht dazu bewogen, die Beschlüsse für ungültig zu erklären. Zwar wurde gegen § 23 Abs. 2 WEG verstoßen, weil aber alle stimmberechtigten Wohnungseigentümer anwesend waren und in Kenntnis der Tagesordnung abgestimmt haben, hat sich auch dieser Fehler nicht ausgewirkt. Er war nicht kausal. Aus dem Protokoll der Versammlung ging zudem hervor, dass die Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan 2019 ausführlich diskutiert worden ist.

Auch ein dritter Fehler hat sich nach Ansicht des Bundesgerichtshofes nicht ausgewirkt. Es wurde nämlich durch den Einladenden versäumt, zur Vorbereitung der Abstimmung in der Versammlung, den später beschlossenen Wirtschaftsplan 2019 mit dem Einladungsschreiben zu übersenden. Auch dieser Fehler hat sich aber nicht ausgewirkt, da bereits in einem früheren Schreiben die Unterlagen an den klagenden Eigentümer versendet wurden und er auch vor der Versammlung zum Wirtschaftsplan Stellung genommen hat. Außerdem gab es intensive Diskussionen in der Versammlung über den Wirtschaftsplan, sodass es den Wohnungseigentümern bewusst war, worum es gegangen ist.

Schließlich führte auch ein vierter Fehler nicht zur Ungültigerklärung. Auch die Tatsache, dass der Wirtschaftsplan 2019 nicht vom Verwalter aufgestellt worden war (seine Bestellung war unwirksam) blieb folgenlos, da auch dieser Fehler sich aus den vorgenannten Gründen (alle Eigentümer wussten, worum es geht) sich nicht ausgewirkt hat.

Formale Vorgaben einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung erfüllen keinen Selbstzweck. Will ein Eigentümer eine Beschlussanfechtungsklage auf formale Fehler stützen, wird er zu prüfen und darzulegen haben, ob sich die Fehler tatsächlich auf die Beschlüsse ausgewirkt haben. Nur dann hat die Klage Aussicht auf Erfolg.