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Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.06.2018 – V ZR 193/17 – “Ein von der Heizkostenverordnung abweichender Beschluss über die Jahresabrechnung ist nicht nichtig, sondern nur anfechtbar


Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Teilungserklärung ist eine Regelung enthalten, wonach die Kosten für Wärme und die Bereitung von Warmwasser auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen, „z. Zt. zu jeweils 30 % Grundkosten und 70 % verbrauchsabhängigen Kosten“ ermittelt werden. Der Kläger erhielt eine Hausgeldabrechnung für das Kalenderjahr 2015. Darunter befand sich eine Einzelabrechnung über die Heizkosten, die Aufteilung erfolgte zu 30 % als Grundkosten und 70 % nach Verbrauch. In der Eigentümerversammlung vom 22.03.2016 kam es zwischen den Wohnungseigentümern zu einer Diskussion über die Richtigkeit der Heizkostenabrechnung, da auf 2 Wohneinheiten ein vergleichsweise hoher Anteil der Heizkosten entfiel. Daher haben die Eigentümer beschlossen, einen Sachverständigen mit der Ermittlung der Ursachen zu beauftragen. Sodann wurde ein Beschluss gefasst, wonach für den Fall, dass keine verwertbaren Erkenntnisse durch den Sachverständigen ermittelt werden können, welche sich auf die Heizkostenabrechnung auswirken, die Aufteilung der Heizkosten für das Jahr 2015 nach Wohnfläche erfolgen soll. Am 22.06.2016 teilte die Verwalterin mit, dass keine verwertbaren Erkenntnisse durch den Sachverständigen ermittelt werden konnten und dass daher die Heizkostenabrechnung nach Wohnfläche erstellt worden ist. Für den Kläger ergab sich für das Jahr 2015 ein Belastungsbetrag, der EUR 539,20 über dem der ursprünglichen Abrechnung lag. Der Kläger begehrte vor Gericht die Feststellung, dass der vorgenannte Beschluss aus der Versammlung vom 22.03.2016 nichtig ist.

Der Kläger scheiterte in allen drei Instanzen. Der Beschluss ist demnach wirksam. Zwar ist der Beschluss mit den Regeln der Heizkostenverordnung nicht zu vereinbaren, nachdem die Voraussetzungen für eine Verteilung nach Wohnfläche nicht vorliegen. Denn eine Verteilung nach Wohnfläche als Abweichung gemäß § 9a Abs. 1 S. 1 HeizkV von dem gesetzlichen Verteilungsmaßstab gemäß § 7 Abs. 1 HeizkV wäre nur bei Geräteausfall möglich oder wenn aus anderen zwingenden Gründen der Verbrauch nicht ordnungsgemäß erfasst werden kann. Diesen Anforderungen genügt der am 22.03.2016 gefasste Beschluss nicht. Ein Geräteausfall lag nicht vor. Zwingende Gründe im Sinne von § 9 a Abs. 1 S. 1 HeizkV liegen nur vor, wenn Umstände gegeben sind, welche dem Geräteausfall gleichzusetzen sind. Hierbei handelt es sich unter anderem um Fälle, wenn der am Heizkörper abgelesene Messwert aus zwingenden physikalischen Gründen nicht dem tatsächlichen Verbrauchswert entsprechen kann und damit fehlerhaft ist. Hierfür genügen die in der Eigentümerversammlung geäußerten Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung nicht, nachdem der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt ist, dass es keine verwertbaren Erkenntnisse gäbe, die sich auf die Heizkostenabrechnung auswirkten. Dass die Wohnungseigentümer gerade für diesen Fall von einer verbrauchsabhängigen Verteilung der Heizkosten Abstand genommen haben verstößt deshalb mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 9 a Abs. 1 und 2 HeizkV gegen § 7 Abs. 1 S. 1 HeizkV.

Ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 S. 1 HeizkV führt aber nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses. Jedenfalls für einen Beschluss, mit dem die Wohnungseigentümer im Einzelfall – demnach bezogen auf eine konkrete Jahresabrechnung – zu Unrecht von den Vorgaben der Heizkostenverordnung abweichen, ist eine Nichtigkeit zu verneinen. Ein solcher Beschluss wäre nur anfechtbar. Insoweit besteht kein Unterschied zu den Fällen, in welchen die Wohnungseigentümer bei einer Abrechnung einen mit der Teilungserklärung nicht zu vereinbarenden Kostenverteilungsschlüssel anwenden. Daran ändert auch nichts, dass die Vorgaben der Heizkostenverordnung zwingend sind. Denn die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer für die Entscheidung über die Jahresabrechnung ergibt sich aus § 28 Abs. 5 WEG. Auch liegt kein die Nichtigkeit begründender Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift im Sinne des § 23 Abs. 4 S. 1 WEG vor, „auf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden kann.“ Bei der Auslegung dieser Bestimmung ist zu berücksichtigen, dass nach der Konzeption des Wohnungseigentümergesetzes Beschlüsse der Wohnungseigentümer trotz Mängel grundsätzlich gültig sind, solange sie nicht durch rechtskräftiges Urteil für nichtig erklärt werden. Wenn eine fristgerechte Anfechtung unterbleibt, werden die Beschlüsse bestandskräftig. Damit soll das Vertrauen der Wohnungseigentümer in die Rechtsverbindlichkeit von Beschlüssen geschützt und alsbaldige Klarheit über die Rechtslage erreicht werden. Die Nichtigkeit eines Beschlusses ist demnach eine Ausnahme, wenn der Schutzzweck der verletzten Vorschrift dies erfordert. Das liegt bei dem Verstoß gegen die Vorgaben der Heizkostenverordnung nicht vor. Ein solcher Verstoß wirkt sich nur auf einen beschränkten Zeitraum aus und ist daher nicht von einem solchen Gewicht, dass das Vertrauen der Wohnungseigentümer in die Bestandskraft nicht (rechtzeitig) angefochtener Beschlüsse dahinter zurücktreten müsste.

Nachdem der Kläger den Beschluss nicht fristgerecht angefochten hat, sondern sich später nur auf die (nicht vorliegende) Nichtigkeit berufen hatte, musste er unterliegen.