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OLG Hamm, Beschluss vom 29.03.2022 – 10 W 91/20 – „Die Pflichtteilsstrafklausel und ihre Folgen“


Das OLG Hamm hat sich mit Beschluss vom 29.03.2022 (10 W 91/20) mit der sogenannten Pflichtteilsstrafklauseln auseinandergesetzt. Mit einer solchen können insbesondere Eltern versuchen, Ihre gemeinsamen Kinder nach dem Tod des Erstversterbenden von der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen abzuhalten. Im streitgegenständlichen Fall ging es um das Testament zweier Ehegatten, die sich wechselseitig als Alleinerben eingesetzt haben. In dem Testament haben sie außerdem folgende Regelung getroffen:

„Sollte ein Kind nach dem Tod des Erstverstorbenen das Pflichtteil verlangen, bekommt es nach dem Tod des Zweiten auch nur das ihm zustehende Pflichtteil“

Nach dem Tod der Ehefrau verlangte eines der Kinder über einen Anwalt ein Nachlassverzeichnis und forderte zur Zahlung des Pflichtteilsanspruchs auf. Erst nach dem Anwaltsschreiben wurde das Testament eröffnet und dem Kind bekannt, dass die Eltern eine Pflichtteilstrafklausel in das Testament aufgenommen haben. Der Pflichtteilanspruch wurde danach nicht mehr weiterverfolgt und klargestellt, dass hierauf verzichtet wird.

Nach dem Tod des Ehemanns stritten die beiden Kinder dann über die Erbfolge, wobei insbesondere die Frage zu entscheiden war, ob das Kind, das mit dem Anwaltsschreiben zunächst den Pflichtteil geltend gemacht hat, aufgrund der Pflichtteilstrafklausel enterbt ist. Dann wäre das andere Kind Alleinerbe. Das OLG Hamm hat allerdings entschieden, dass die beiden Kinder Miterben zu je ½ sind. Denn nach Auffassung des Senats wurde die Pflichtteilstrafklausel durch das Schreiben des Anwalts nicht ausgelöst. Zwar sei es für das Eingreifen der Verwirkungsklausel nicht erforderlich, dass der Pflicht tatsächlich ausgezahlt oder gerichtlich geltend gemacht wird, vielmehr sei es ausreichend, dass der Abkömmling versucht, den Pflichtteil zu erhalten. Dies setze ein ernstliches Verlangen voraus, was in dem Anwaltsschreiben nicht zu sehen sei, da der Pflichtteil nicht nachdrücklich durch mehrfache anwaltliche Schreiben oder sonstige Maßnahmen verfolgt wurde. Vielmehr wurde alsbald von der Geltendmachung der Ansprüche Abstand genommen, nachdem das Testament eröffnet wurde. Aus Sicht des OLG fehlt es aber in jedem Fall an der subjektiven Komponente, da zum Zeitpunkt des Anwaltsschreibens die Strafklausel noch gar nicht bekannt war.

Die Entscheidung hätte durchaus auch anders ausgehen können. Sie zeigt in jedem Fall, wie wichtig es ist, sich vorab umfassend zu informieren und nicht ohne Kenntnis des genauen Inhalts eines Testaments Pflichtteilsansprüche geltend zu machen. Ein anderes Gericht hätte möglicherweise die Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche für ausreichend erachtet, um die Pflichtteilsstrafklausel anzuwenden. Dann wäre das andere Kind zum Alleinerben berufen gewesen.