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Die Macht des Faktischen



Seit der Reform des nachehelichen Unterhalts mit Wirkung zum 1.1.2008 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) bereits vielfach Gelegenheit, die Ausgestaltung der neuen gesetzlichen Regelung vorzunehmen. In einem Urteil v. 16.2.2011, Az. XII ZR 108/09 (FamRZ 2011, 628 ff.) war ein weiteres Mal über die Voraussetzungen für eine Befristung oder höhenmäßige Beschränkung des nachehelichen Unterhalts gemäß § 1578 b BGB zu entscheiden. Nach dieser Regelung kann der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt befristet und/oder der Höhe nach auf den angemessenen Lebensbedarf beschränkt werden. Dabei ist der angemessene Lebensbedarf die Höhe an Einkünften, welche der Unterhaltsberechtigte ohne Einschränkungen beim eigenen beruflichen Fortkommen (ehebedingt) erzielen könnte. Eine Befristung scheidet aus, soweit es sich um eine Ehe von langer Dauer handelt und ehebedingte Nachteile zu Lasten des Unterhaltsberechtigten verbleiben. In früheren Entscheidungen wurde durch den BGH bereits entschieden, dass bestimmender Faktor das Bestehen ehebedingter Nachteile ist. In dem zu entscheidenden Fall hatte die unterhaltsberechtigte Ehefrau mit ihrem früheren Arbeitgeber (VW) in der Ehezeit einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Die Abfindung von brutto DM 70.000,00 wurde zur Sondertilgung auf das Familienheim verwendet.

Umstritten war, ob der Aufhebungsvertrag mit Zustimmung oder gegen den ausdrücklichen Widerspruch des unterhaltsverpflichteten Ehemannes geschlossen wurde. Neben dem Umstand, dass nach dem Aufhebungsvertrag ein gemeinsames minderjähriges Kind überwiegend durch die Ehefrau betreut und versorgt wurde, hat auch der BGH, wie zuvor das OLG Braunschweig als Berufungsgericht, mehrfach darauf abgestellt, dass nach Abschluss des Aufhebungsvertrages die eheliche Lebensgemeinschaft noch 13 Jahre fortgesetzt wurde.

Bei Fortsetzung der Ehe ist damit jedoch bei jeder Art der Gestaltung der Berufstätigkeit eines Ehegatten der Einwand, diese sei nicht mit Zustimmung des später Unterhaltspflichtigen erfolgt, nahezu ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang wurde durch den Bundesgerichtshof wiederholt (zuvor Urteil vom 20.10.2010, Az. XII ZR 53/09, FamRZ 2010, 2059) darauf verwiesen, dass der § 1579 b BGB nicht „der Aufarbeitung ehelichen Fehlverhaltens“ diene.

Letztlich kommt es allein auf die faktische Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, mit der praktizierten Rollenverteilung, an. Resultiert daraus für einen Ehegatten eine Einschränkung in den Erwerbsmöglichkeiten, handelt es sich im Zweifel um einen ehebedingten Nachteil.

Allerdings wurden auch Ausnahmen formuliert, z.B. bei Kündigung aus betrieblichen oder gesundheitlichen Gründen, bei welchen angenommen werden kann, dass diese auch ohne die Ehe eingetreten wären. Es ist deshalb erforderlich, den Sachverhalt exakt zu ermitteln.