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BGH, Urteil vom 21.11.2018 – XII ZR 78/17 – “Die Ausübung einer Verlängerungsoption ist nicht schriftformbedürftig


Mit Urteil vom 21.11.2018 – XII ZR 78/17 – hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Ausübung einer Verlängerungsoption nicht schriftformbedürftig im Sinne des § 550 S. 1 BGB ist.

Zwischen den Parteien bestand ein Mietvertrag, der für die Zeit vom 01.02.2006 bis 31.01.2015 befristet war. Geregelt wurde, dass die Mieterin die Verlängerung des Mietverhältnisses um 10 Jahre verlangen kann, wenn sie das Optionsrecht spätestens 5 Monate vor Ablauf der vereinbarten Mietzeit ausübt. Der Mietvertrag enthielt eine Schriftformklausel, wonach nachträgliche Änderungen und Ergänzungen des Mietvertrags der schriftlichen Vertragsform bedürfen. Mit einem nicht unterschriebenen Telefax teilte die Mieterin dem Vermieter mit, dass sie von dem Optionsrecht Gebrauch mache. Im Telefax wurde angekündigt, dass das Schreiben auch noch per Post zugehen werde. Die Zustellung des Schreibens per Einschreiben an den Vermieter scheiterte jedoch, weil es nicht bei der Post abgeholt wurde. Der Vermieter kündigte das Mietverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist und argumentierte, die Ausübung der Verlängerungsoption genüge nicht der Schriftform des § 550 BGB mit der Folge, dass der Mietvertrag ordentlich kündbar sei. Mit dieser Argumentation erleidet der Vermieter jedoch Schiffbruch.

Der Bundesgerichtshof führt aus, dass die Mieterin die ihr vertraglich eingeräumte Verlängerungsoption wirksam ausgeübt hat. Die per Telefax übermittelte Verlängerungserklärung hat auch nicht zu einem Schriftformangel im Sinne von §§ 578 Abs. 1 und 2, 550 S. 1 BGB geführt, sodass dem Vermieter kein vorzeitiges Kündigungsrecht gemäß §§ 578 Abs. 1 und 2, 550 S. 2, 580 a Abs. 2 BGB zusteht. Die Wirksamkeit der Optionsausübung scheitert auch nicht an dem im Mietvertrag geregelten Schriftformerfordernis. Dieses bezieht sich auf Änderungen und Ergänzungen des Vertrages und schreibt für diese eine „schriftliche Vertragsform“ vor. Um eine solche vertragliche Änderung oder Ergänzung geht es hier jedoch nicht. Vielmehr hat die Mieterin von dem ihr vertraglich eingeräumten Gestaltungsrecht (BGH NJW 2015, 402 Rn. 21 m.w.N.) Gebrauch gemacht, die Vertragslaufzeit zu verlängern. Diese Willenserklärung kann wegen ihrer notwendigen Einseitigkeit von vornherein nicht der „Vertragsform“ entsprechen.

Dass die Verlängerung durch ein nicht unterschriebenes Telefax ausgeübt worden ist, stellt auch keinen Verstoß gegen die Schriftform des § 550 BGB dar. Bei der Regelung in § 550 BGB geht es nicht um die Wirksamkeit mietvertraglicher Vereinbarungen, sondern allein darum, wie lange die Mietvertragsparteien an diese gebunden sind, ohne sich vom Vertrag lösen zu können (BGH NJW 2018, 1540 Rn. 19 ff. m.w.N.). Daher berührt die Frage, ob die Ausübung einer Verlängerungsoption dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB unterfällt, auch nicht die Wirksamkeit der erfolgten Laufzeitverlängerung. Sie kann vielmehr nur Bedeutung dafür erlangen, ob eine Vertragspartei trotz des wirksam herbeigeführten neuen Vertragsendes schon vorzeitig den Vertrag durch ordentliche Kündigung beenden kann.

Der Bundesgerichtshof betont erneut (ebenso bereits BGH NZM 2018, 515 Rn. 20 und BGH NJW 2014, 1300 Rn. 28 f.), dass die Ausübung einer Verlängerungsoption nicht schriftformbedürftig im Sinne des § 550 S. 1 BGB ist. Eine Option, die einer oder beiden Parteien das Recht einräumt, das bestehende Mietverhältnis durch einseitige Erklärung um eine bestimmte Zeit zu verlängern, ist ein Gestaltungsrecht (BGH NJW 2015, 402 Rn. 21). Sofern die Jahresgrenze des § 550 S. 2 BGB überschritten wird, bedarf die Vereinbarung eines Optionsrechts der Schriftform des § 550 BGB, um nicht laufzeitschädlich zu sein (BGH NJW-RR 1987, 1227, 1228). Entgegen einer von Teilen der Literatur und früherer obergerichtlicher Rechtsprechung vertretenen Auffassung (etwa OLG Köln ZMR 2013, 884, 885) unterfällt die Ausübung einer Verlängerungsoption selbst hingegen nicht § 550 BGB. Die Vorschrift des § 550 BGB greift nicht ein, wenn einer Partei bereits im Mietvertrag die Möglichkeit eingeräumt ist, durch einseitige Willenserklärung eine Änderung der Vertragswirkungen herbeizuführen, und sie dann von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. In diesem Fall muss ich allein die ursprüngliche vertragliche Bestimmung am Schriftformerfordernis des § 550 S. 1 BGB messen lassen, wohingegen die Ausübung des Änderungsrechts nicht laufzeitschädlich im Sinne des § 550 BGB sein kann (BGH NZM 2018, 515 Rn. 20). Der Bundesgerichtshof hat dies etwa für das Recht auf Nebenkostenanpassung durch einseitige Erklärung (BGH NJW 2014, 1300 Rn. 27 ff.) oder auf das dem Vermieter gewährte Leistungsbestimmungsrecht, welchen von mehreren Parkplätzen er dem Mieter zuweist (BGH NJW 2013, 1082 Rn. 16), entschieden. Ebenso verhält es sich für die Ausübung einer Verlängerungsoption. Durch sie kommt kein neuer Vertrag zustande. Vielmehr wirkt sie unmittelbar auf das bestehende Mietverhältnis ein, indem sie mit ihrer Gestaltungswirkung lediglich die ursprünglich vereinbarte Vertragslaufzeit ändert und ihr einen neuen Zeitabschnitt hinzufügt (BGH NJW 2015, 402 Rn. 21). Die Optionsausübung selbst ist daher kein von § 550 BGB erfasster Vertragsschluss.

Die § 550 BGB zugrunde liegenden Gesetzeszwecke gebieten nichts anderes. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dient die von § 550 BGB geforderte Beurkundung in erster Linie dem Informationsbedürfnis und damit dem Schutz des in den Vertrag gemäß § 566 Abs. 1 BGB eintretenden Erwerbers. Diesem soll durch die Schriftform ermöglicht werden, sich von Umfang und Inhalt der auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten zuverlässig zu unterrichten. Zusätzlich bezweckt die Schriftform des § 550 BGB, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden sicherzustellen und als Übereilungsschutz die Vertragsparteien vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu warnen (BGH NJW 2018, 1540 Rn. 21). Dem wird es vollauf gerecht, zwar die Vereinbarung des Optionsrechts, nicht aber dessen Ausübung als schriftformbedürftig anzusehen. Mit Blick auf den Erwerberschutz gibt es zahlreiche Fallgestaltungen, in denen § 550 BGB den Zweck, dem Erwerber Klarheit über die Bedingungen eines langfristigen Mietvertrags zu verschaffen, nicht umfassend gewährleisten kann. Dies gilt unter anderem für die einem Grundstückserwerber wichtige Kenntnis, bis zu welchem Zeitpunkt ein langfristiges Mietverhältnis besteht. Enthält die Mietvertragsurkunde eine Verlängerungsoption zugunsten des Mieters, kann der Grundstückserwerber der Urkunde zwar nicht entnehmen, ob die Option vor dem Eigentumserwerb ausgeübt wurde, sodass zunächst Ungewissheit darüber bestehen kann, ob das Mietverhältnis bald endet oder gegebenenfalls noch jahrelang fortbestehen wird. Dann ist der Erwerber aber durch die aus der Urkunde (dem Mietvertrag) ersichtliche Option hinreichend gewarnt, sodass es ihm zuzumuten ist, sich bei dem Verkäufer oder dem Vermieter hierüber zu erkundigen. Insoweit liegt es anders als bei Fallgestaltungen, in denen sich aus dem schriftlichen Vertrag gerade kein Anlass für eine Nachfrage bei den bisherigen Vertragsparteien zu nicht schriftlich niedergelegten Vertragsbedingungen ergibt.