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Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.07.2020 – V ZR 250/19 – “Der ausscheidende Gesellschafter haftet


Nicht selten sind Gesellschaften bürgerlichen Rechtes Mitglieder von Wohnungseigentümergemeinschaften. Scheidet ein Gesellschafter aus dieser Gesellschaft aus, so stellt sich auch die Frage, für welche Verbindlichkeiten dieser ausscheidende Gesellschafter einzustehen hat. § 160 HGB (auf diese Vorschrift verweist § 736 Abs. 2 BGB) bestimmt, dass der Gesellschafter für bis zu seinem Ausscheiden begründete Verbindlichkeiten haftet. Der Bundesgerichtshof hatte die Frage zu klären, ob es sich auch bei Beitragspflichten aus dem Wohnungseigentumsgesetz, die auf Beschlüssen der Eigentümer beruhen, welche nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters aus der GbR gefasst worden sind, um solche Altverbindlichkeiten handelt.

Im konkreten Fall war der von der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft in Anspruch genommene Beklagte einer von drei Gesellschaftern einer GbR, die Eigentümerin und damit Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft war. Der Gesellschafter schied bereits im Jahr 2002 aus der Gesellschaft aus. 2013 und 2014 wurden Beschlüsse über Hausgeldzahlungen gefasst, die die GbR nicht bezahlte. Der Beklagte als ehemaliger Gesellschafter der BGB-Gesellschaft wurde auf Zahlung in Anspruch genommen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft obsiegte vor dem Bundesgerichtshof.

Der Bundesgerichtshof bejaht demnach die Frage, dass es sich bei den Beschlüssen aus den Jahren 2013 und 2014 um Altverbindlichkeiten handelt. Der Beklagte haftet für diese Verbindlichkeiten nach § 128 HGB analog persönlich. Daran ändert sein Ausscheiden im Jahr 2002 nichts. Die Altverbindlichkeiten im Sinne von § 160 Abs. 1 S. 1 HGB sind nämlich alle Schuldverpflichtungen, deren Rechtsgrundlage bis zum Ausscheiden des Gesellschafters gelegt worden ist, auch wenn einzelne Verpflichtungen erst später entstehen oder fällig werden, so der Bundesgerichtshof. Die Rechtsgrundlage für die Beitragsverbindlichkeiten des Wohnungseigentümers wird mit dem Erwerb des Wohnungseigentums gelegt. Der Wohnungseigentümer schuldet ab diesem Zeitpunkt anteilig die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums. Dass zum Zwecke der Durchsetzung der Beitragspflichten es noch eines Beschlusses der Wohnungseigentümer bedarf, ist dagegen unerheblich. Dafür spricht Sinn und Zweck des § 160 Abs. 1 HGB, der einen Ausgleich zwischen dem Anliegen des Gesellschafters, nicht zu lange Zeit mit einer Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft belastet zu werden und den Interessen der Gesellschaftsgläubiger schaffen will. Ein solcher Ausgleich wäre nicht zu schaffen, wenn der ausscheidende Eigentümer beispielsweise nicht mehr für die nach seinem Ausscheiden beschlossene Abrechnungsspitze eines Abrechnungsjahres haften würde, obwohl er in diesem abgerechneten Jahr noch Gesellschafter war. Auch würde die Haftung von Zufälligkeiten abhängen, nämlich wann die Wohnungseigentümer den neuen Wirtschaftsplan beschließen. Der ausscheidende Gesellschafter ist auch ausreichend geschützt. Denn § 160 HGB bestimmt ebenfalls, dass die Verbindlichkeiten vor Ablauf von 5 Jahren nach dem Ausscheiden z.B. durch Klage geltend gemacht werden müssen. Es gibt daher eine zeitliche Beschränkung der Haftung, die das Gesetz vorschreibt. Vorliegend ist diese Frist aber noch nicht abgelaufen gewesen, da diese Frist erst mit dem Zeitpunkt beginnt, in welchem der Gläubiger vom Ausscheiden positiv Kenntnis erlangt. Nachdem der Beklagte eine solche Kenntnis der WEG nicht beweisen konnte, war seine Haftung durch Fristablauf auch nicht ausgeschlossen.

Wohnungseigentümergemeinschaften können daher gegebenenfalls auf auch vor langer Zeit ausgeschiedene Gesellschafter zurückgreifen, um ihre Forderungen durchzusetzen. Ausscheidende Gesellschafter sind dagegen gut beraten, wenn sie sämtliche Gläubiger und damit auch eine Wohnungseigentümergemeinschaft über ihr Ausscheiden informieren, um den Lauf der Fünfjahresfrist beginnen zu lassen und nicht gegebenenfalls Jahrzehnte später mit Beitragspflichten oder sonstigen Verbindlichkeiten konfrontiert zu werden.